Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.11.1961 - I B 127.61 = RdL 1962 S. 243

Aktenzeichen I B 127.61 Entscheidung Beschluss Datum 27.11.1961
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen RdL 1962 S. 243  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Berücksichtigung der Hängigkeit bei der Schätzung und unter besonderen Voraussetzungen bei der Feststellung des Abfindungsanspruchs.
2. Ausgleich von Mängeln, die trotz richtiger Schätzung der einzelnen Grundstücke auftreten.
3. Zur Berücksichtigung des Gleichheitsgrundsatzes im Flurbereinigungsverfahren.

Aus den Gründen

Das Flurbereinigungsgericht hat entschieden, daß der Nachteil, den die Kläger durch die Mehrung der Hangflächen erleiden, durch eine unentgeltliche Mehrzuteilung von 6,65 Werteinheiten auszugleichen ist. In diesem Zusammenhang werfen die Kläger die Frage auf, ob die betriebswirtschaftlichen Nachteile einer vergrößerten Hanglage überhaupt durch eine Flächenmehrung ausgeglichen werden dürften oder ob nicht solche Hanglagen denen belassen werden müßten, die sie in das Verfahren eingebracht haben. Auch diese Frage gibt keinen Anlaß zur Zulassung der Revision, da sie durch die Rechtsprechung des Senats bereits geklärt ist.

Die Oberflächengestaltung und die Bodenneigung eines Grundstücks sind Umstände, die seinen Nutzungswert mitbestimmen. Diese Faktoren müssen daher regelmäßig im Rahmen der Schätzung der Grundstücke berücksichtigt werden (Urteil vom 23.6.1959 - BVerwG I C 78.58 -). Geschieht das, so können diese wertbestimmenden Umstände bei der Abfindung nicht noch einmal in Ansatz gebracht werden. Im vorliegenden Fall hat das Flurbereinigungsgericht aber festgestellt, daß die Hängigkeit der den Klägern zugeteilten Flächen zwar in zutreffender Weise bei der Schätzung berücksichtigt worden ist, daß aber die Kläger mehr Hangflächen zugeteilt erhalten haben, als sie in ihrem Altbesitz hatten. Wegen der hierdurch eintretenden Bewirtschaftungserschwernisse hat es ihnen zusätzlich zur bisherigen Abfindung eine Fläche von 6,65 Werteinheiten zugesprochen; es hat es aber abgelehnt, die Vergrößerung der zugeteilten Hangfläche rückgängig zu machen. Diese Beurteilung der Rechtslage steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Senats.

Der Verfahrensbeteiligte hat nach § 44 Abs. 1 Satz 1 FlurbG einen Anspruch auf eine wertgleiche Abfindung. Wertgleich ist die Abfindung dann, wenn der Wert des gesamten neuen Besitzes unter Berücksichtigung der gesetzlich zulässigen Abzüge dem Wert des gesamten Altbesitzes entspricht; der Tauschwert der Gesamtzuteilung muß dem Tauschwert der Gesamteinlage entsprechen (Urteil vom 30.9.1958, RdL 1959 S. 51). Dieser Tauschwert ist durch eine Anspruchsberechnung festzustellen (BVerwGE 8, 343, 347). Bei der Bemessung der Landabfindung sind nach § 44 Abs. 1 Satz 2 FlurbG die nach § 27 - § 33 FlurbG ermittelten Werte "zugrunde zu legen". Die Gleichwertigkeit der Abfindung mit der Einlage kommt aber nicht allein in der Übereinstimmung der Schätzungswerte von Altbesitz und Abfindung zum Ausdruck. Die Schätzung der landwirtschaftlich genutzten Grundstücke dient der Ermittlung des landwirtschaftlichen Nutzungswertes der einzelnen Grundstücke, die nach § 44 Abs. 1 FlurbG erforderliche Anspruchsberechnung dagegen der Feststellung des Gesamttauschwertes von Einlage und Zuteilung. Für den Gesamttauschwert kommen aber neben dem landwirtschaftlichen Nutzungswert der einzelnen Grundstücke - der nach allgemeinen Merkmalen festgelegt wird - noch weitere den Wert der konkreten Gesamtabfindung mitbestimmende Faktoren in Betracht, die bei der Zuteilung wertgerecht in Ansatz gebracht werden müssen (Beschluß vom 5.6.1961 - BVerwG I B 48.61 -). Der Abfindungsanspruch muß sich also nicht mit der Summe der bei der Schätzung ermittelten Nutzungswerteinheiten decken. Trotz richtiger Einschätzung der einzelnen Flächen kann durch die Gestaltung der Abfindung das Zusammentreffen von Böden unterschiedlicher Qualität oder andere Umstände die Wertgleichheit von Einlage und Abfindung in Frage gestellt sein. Das Flurbereinigungsgericht hat daher bei dem von ihm festgestellten Sachverhalt zu Recht entschieden, daß trotz zutreffender Schätzung der einzelnen Flächen die vermehrte Zuteilung von Hanglagen bei der Abfindung berücksichtigt werden muß.

Die Meinung der Kläger, in einem solchen Fall müsse die wertgleiche Abfindung dadurch hergestellt werden, daß die Hangflächen den früheren Besitzern zurückzugeben seien, ist unzutreffend. Das Flurbereinigungsgericht ist zu diesem Punkt unter Hinweis auf seine bisherige Rechtsprechung davon ausgegangen, daß Nachteile der Plangestaltung auch durch eine angemessene Mehrung der Landabfindung ausgeglichen werden können. Dem ist zuzustimmen. Nachteile der Plangestaltung bedeuten eine Verletzung des Abfindungsanspruchs. Das Gebot der wertgleichen Abfindung umfaßt die Regel, daß für Landeinlagen grundsätzlich Landzuteilungen gegeben werden müssen (BVerwGE 8, 95 = RzF - 1 - zu § 44 Abs. 3 Satz 2 FlurbG). Ergibt die Prüfung der Zuteilung, daß der Abfindungsanspruch nicht erfüllt ist, so muß der festgestellte Nachteil durch Vergrößerung der Landabfindung oder durch andere Vorteile, wie z.B. durch Zuteilung eines höherwertigen Grundstücks, durch Entfernungsverbesserung usw., ausgeglichen werden. Welchen Weg das Flurbereinigungsgericht beschreitet, steht in seinem Ermessen. Die Maßnahme muß sich jedoch im Rahmen des Gesetzes halten und geeignet sein, die vom Gesetz geforderte Wertgleichheit herzustellen (Beschluß vom 28.10.1960 - BVerwG I B 98.60 -). Da die durch die Hangmehrung eintretende Erhöhung der Betriebskosten durch den Ertrag aus der Mehrzuteilung ausgeglichen wird, ist die Vergrößerung der Abfindung regelmäßig ein geeignetes Mittel, die durch die Gestaltung des Plans eintretenden betrieblichen Erschwernisse auszugleichen. Daher kann ein Recht auf Minderung der Hanglagen auf den ursprünglichen Umfang nicht anerkannt werden.

Es liegt auch keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes vor, wenn anderen Beteiligten eine stärkere Abfindung am Hof gewährt worden sein sollte und der Teilnehmer Nr. 35 ein hofnahes Grundstück erhalten hat, weil darauf eine Feldscheune steht. Der Grundsatz der gleichen Behandlung wird im Flurbereinigungsverfahren durch die jedem Teilnehmer zustehende wertgleiche Abfindung gewährleistet. Ist dieser Anspruch erfüllt, so ist damit in Anbetracht der Verschiedenheit der Verhältnisse die überhaupt mögliche gleiche Behandlung erreicht. Daß einzelne Teilnehmer - bei im übrigen wertgleicher Abfindung - größere Vorteile durch die Flurbereinigung erhalten als andere, bedeutet für sich allein noch keine Verletzung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Gleichheit.

Anmerkung

Vgl. auch Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26.3.1962 - I C 24.61 = RdL 1962 S. 217