Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 11.02.1975 - V B 33.72 = RdL 1975 S. 268
Aktenzeichen | V B 33.72 | Entscheidung | Beschluss | Datum | 11.02.1975 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = RdL 1975 S. 268 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Bei landwirtschaftlichen Spezialbetrieben mit besonderen Anforderungen und ertragsintensiven Auswirkungen ist eine Beeinträchtigung der Wirtschaftsstruktur von den konkreten Umständen abhängig. |
2. | Eine Verschiebung von Grünland zu Ackerland ist zulässig, wenn eine Umwandlung möglich und zumutbar ist. |
3. | Die Feststellung der Nutzungsart und Bodengüte eines Flurstücks kann durch das Flurbereinigungsgericht ohne Hinzuziehung von Sachverständigen vorgenommen werden. |
4. | Eine Revisionszulassung wegen Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO erfordert, daß die behauptete Abweichung im Beschwerde- und Revisionsverfahren unmittelbar festgestellt werden kann. |
Aus den Gründen
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Entgegen der Ankündigung ist in den umfangreichen Darlegungen des Beschwerdevorbringens keine rechtsgrundsätzliche Frage aufgeworfen, die im Interesse der Einheitlichkeit und der Fortentwicklung des Rechts einer revisionsgerichtlichen Klärung bedürfte. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BVerwG kann einer Rechtssache nicht schon dann eine grundsätzliche Bedeutung beigemessen werden, wenn sie in tatsächlicher Hinsicht über den Einzelfall hinausreichen oder für die Beteiligten von großer wirtschaftlicher Bedeutung sein würde. Die Besonderheiten des landwirtschaftlichen Betriebs der Kläger, die sich aus den spezialbetrieblichen Anforderungen ihres anerkannten Fleckvieh-Zuchtbetriebs und den damit verbundenen ertragsintensiven Auswirkungen ergeben, entziehen sich einer grundsätzlichen und für eine Vielzahl gleichgelagerten oder ähnlicher Fälle verbindlichen Aussage; jedenfalls läßt das auf diese Besonderheiten des landwirtschaftlichen Betriebs gestützte Beschwerdevorbringen der Kläger nicht erkennen, inwieweit die Entscheidung von einer ungeklärten Frage des Bundesrechts abhängig sein könnte. Daß im Rahmen des planerischen Gestaltens bei der Flurbereinigung im Einzelfall zwischen Einlage und Abfindung eine Verschiebung von Ackerland in Grünland und umgekehrt eintreten kann, bedarf keiner revisionsgerichtlichen Bestätigung. Ebenso wie eine Abfindung in Grünland für eingelegtes Ackerland zulässig ist und die Wertgleichheit dadurch nicht beeinträchtigt wird, wenn es sich um ackerfähigen Boden handelt (Beschl. vom 19.6.1959 - BVerwG I B 26.59 - und vom 24.6.1970 - BVerwG IV B 241.68 -) ist auch eine Verschiebung von Grünland zu Ackerland nicht unzulässig, wenn eine Umwandlung möglich und zumutbar ist. Ob aber diese Voraussetzung vorliegt und inwieweit dabei eine Umstellungsentschädigung z. B. für Saatgut, Arbeitsaufwand und Ernteausfall in Betracht kommen kann, ist von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalles abhängig und deshalb einer grundsätzlichen Betrachtung enthoben. Im übrigen ist durch die Rechtsprechung geklärt, daß sachliche Gründe eine Abweichung von dem Grundsatz des § 44 Abs. 4 FlurbG rechtfertigen (Beschl. vom 21.12.1970 - BVerwG IV B 165.69 -, RdL 1971, 133).
Soweit die von den Klägern erhobenen Verfahrensrügen überhaupt den formellen Anforderungen genügen (vgl. dazu BVerwGE 31, 212 (217)), greifen sie nicht durch, weil sich das Vorbringen im wesentlichen in unbeachtlichen Angriffen gegen die vom Flurbereinigungsgericht vorgenommene Beweiswürdigung erschöpft. Die Beweiswürdigung kann jedoch nicht Gegenstand der Revision sein, weil hier eine Beweis- und Wertungssubstitution nicht stattfindet. Auf die Beweiswürdigung gerichtete Angriffe reichen deshalb nicht aus, die Zulassung der Revision zu rechtfertigen.
Die hinsichtlich der Verschiebung von Grünland in Ackerland und des Verlustes einer Jungviehweide vorgebrachte Rüge mangelnder Sachaufklärung ist nicht schlüssig. Es ist nicht ersichtlich, daß das Flurbereinigungsgericht sich nicht mit allen festgestellten sachverhaltswesentlichen und sich dazu aufdrängenden oder naheliegenden Beweistatsachen befaßt und im Urteil auseinandergesetzt hätte. Die Feststellungen des Gerichts bei der Prüfung der wertbestimmenden Umstände im Sinne des § 44 Abs. 4 FlurbG berücksichtigen die von den Klägern aufgestellten, mit dem vorgelegten Gutachten des Sachverständigen unterstützten Behauptungen in vollem Umfange. Daß die vorübergehende Kulturartenverschiebung keine völlige Änderung der bisherigen Betriebsstruktur erfordert, ist von den Klägern selbst eingeräumt worden, so daß auch insoweit keine Aufklärungsrüge Platz greifen kann. Ebensowenig war die Hinzuziehung eines Sachverständigen für die Beurteilung der Besonderheiten und Eigenarten eines anerkannten Fleckvieh-Zuchtbetriebs erforderlich. Nach dem durch die Äußerungen des beauftragten Sachverständigen und des bemühten Zuchtverbandes unterstützten Vorbringen der Kläger ist die Ertragsfähigkeit ihres Betriebs weitestgehend vom Vorhandensein einer ausreichenden Jungviehweide abhängig. Für die Feststellung der Geeignetheit eines Flurstücks als Jungviehweide bedurfte es jedoch keiner sachverständigen Begutachtung. Die Notwendigkeit, die mögliche Nutzungsart und die Bodengüte eines Grundstücks festzustellen, gehört zu den alltäglichen Obliegenheiten der Richter des Flurbereinigungsgerichts, die die erforderlichen Feststellungen in eigener Sachkenntnis treffen (ständige Rechtsprechung des BVerwG, vgl. Urteil vom 28.1.1960 - BVerwG I C 51.58 -, RdL 1960, 190 und Beschl. vom 13.4.1971 - BVerwG IV B 61.70 -, RdL 1971, 214).
Die Sachaufklärung ist auch nicht deswegen unvollständig, weil die Kläger die in allen Einzelheiten geschilderten Vorzüge der alten Jungviehweide nicht punktuell an den dafür zugedachten Abfindungsflurstücken glauben feststellen zu können. Ein dahin gehendes Verlangen würde darauf hinauslaufen, die eingelegte Jungviehweide entweder von der Flurbereinigung auszuklammern, worauf kein Anspruch besteht (Beschl. vom 11.7.1973 - BVerwG V B 22.72 -) oder unverändert wiederzuzuteilen, was nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG ebensowenig beansprucht werden kann.
Hieraus ergibt sich, daß auch nicht auf eine unter Verkennung des materiellen Rechts beruhende unzureichende Sachverhaltsfeststellung abgestellt werden kann. Aus der Schilderung der Aufzucht des Jungviehs und den dabei zu beachtenden Pflegeerfordernissen ergeben sich keine weitergehenden entscheidungserheblichen Umstände, die das Flurbereinigungsgericht bei der Wertgleichheit der Landabfindung hätte noch berücksichtigen müssen. Auch was die in Augenschein genommenen Abfindungsflurstücke, die mit Steinplatten und Dolineneinbrüchen versehen sind, anbelangt, ist die Aufklärungsrüge nicht schlüssig. Die Kläger haben selbst vorgetragen, daß sie bei der Beweisaufnahme hierauf besonders hingewiesen haben. Ausweislich des Protokolls über die durchgeführte Beweisaufnahme haben die Beteiligten vor der Antragstellung zum Beweisergebnis Stellung genommen. Ein über die Besichtigung und die Entnahme von Bodenproben hinausgehender, die Ertrags- und Nutzungsfähigkeit dieser Grundstücke berührender zusätzlicher Beweisantrag ist von den Klägern hierbei nicht gestellt worden. Eine Vernachlässigung der Aufklärungspflicht kann deshalb auch insoweit nicht vorgeworfen werden, zumal das Flurbereinigungsgericht die sich daraus ergebenden Bewirtschaftungserschwernisse neben den Wertklassenherabstufungen berücksichtigt hat. Das Vorbringen der Kläger zur begehrten Vergrößerung ihrer Hoffläche und zur Aufhebung des Feldweges 148 als öffentlicher Weg berührt materiellrechtliche Fragen der Plangestaltung und der Erschließungsfunktion einer gemeinschaftlichen Anlage, die in dem hier zur Prüfung gestellten Rahmen verfahrensrechtlichen Rügen nicht zugänglich sind. Die weiteren, nach Ablauf der Beschwerdeschrift vorgebrachten Verfahrensrügen müssen bei Prüfung der Revisionszulassung unbeachtlich bleiben.