RzF - 30 - zu § 68 Abs. 1 Satz 1 FlurbG

Landgericht Schweinfurt, Beschluss vom 30.04.1975 - 2 T 57/75 = Rpfleger 1975 S. 312= AgrarR 1976 S. 78

Aktenzeichen 2 T 57/75 Entscheidung Beschluss Datum 30.04.1975
Gericht Landgericht Schweinfurt Veröffentlichungen Rpfleger 1975 S. 312 = AgrarR 1976 S. 78  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Wird im Flurbereinigungsverfahren nach Wirksamwerden der Ausführungsanordnung noch über Einlagegrundstücke (hier durch Belastung mit Grundpfandrechten) verfügt, so wird zufolge des im Flurbereinigungsverfahren geltenden Surrogationsprinzips unmittelbar das Ersatzgrundstück betroffen, ohne daß dieses nach § 28 GBO bezeichnet sein müßte.

Aus den Gründen

Die Eigentümerin bestellte im September 1973 an dem Grundstück FlSt. 8524 eine Briefgrundschuld. Die Grundschuld wurde im November 1973 gemäß Bewilligung in das Grundbuch eingetragen. Das belastete Grundstück FlSt. 8524 war im Flurbereinigungsverfahren als Einlagegrundstück beteiligt. An die Stelle dieses Grundstücks (FlSt. 8524) ist seit Juni 1972 auf Grund des rechtskräftigen Flurbereinigungsplans das Grundstück FlSt. 7671 getreten. Im September 1974 wurde das Grundbuch entsprechend dem durch die Rechtsänderung infolge der Flurbereinigung eingetretenen Rechtszustand berichtigt. Im Januar 1975 wurde von Amts wegen ein Widerspruch gegen die Eintragung der Grundschuld mit der Begründung eingetragen, daß diese nicht entstanden sei, weil bei ihrer Eintragung das belastete Grundstück rechtlich nicht mehr existent gewesen sei.

Der Amtswiderspruch ist zu entfernen, da die Grundschuld zum Zeitpunkt der Eintragung rechtswirksam bestellt worden war und auch entstanden ist. Aufgrund der Ausführung des rechtskräftigen Flurbereinigungsplans treten unmittelbar die rechtlichen Wirkungen der Flurbereinigung ein mit der Folge, daß die neue, im Flurbereinigungsplan ausgewiesene Grundstücksfläche als Surrogat an die Stelle des alten Grundstücks tritt. Die Rechte Dritter an den alten Grundstücken und die diese Grundstücke betreffenden Rechtsverhältnisse werden durch die Flurbereinigung grundsätzlich nicht berührt, so daß, abgesehen von den in § 49, § 58 Abs. 1 FlurbG vorgesehenen Fällen, an den neuen Grundstücken die gleichen Rechtsverhältnisse bestehen, wie sie an den alten bestanden. Rechtlich vollzieht sich der Austausch der Grundstücke nicht dadurch, daß das Eigentum an den ursprünglichen Flächen untergeht und hierfür als Entschädigung ein neues Grundstück gegeben wird, sondern das Eigentum an dem sogenannten Einlagegrundstück setzt sich an dem Ersatzgrundstück fort. Die Änderung betrifft folglich nicht die Person des Eigentümers oder des sonstigen dinglich Berechtigten, sondern den Gegenstand des Eigentums oder des Rechts. Der Flurbereinigungsplan begründet nicht die Änderung des Rechtsverhältnisses, sondern die Änderung des Sachverhältnisses (vgl. BayObLGZ 1969, 263, 270). Das an der Abfindungs- bzw. Ersatzfläche bestehende Eigentum ist folglich dasselbe, das an den alten Grundstücken bestand. Es hat in dem Ersatzgrundstück ausschließlich ein "neues Objekt" erhalten.

Gemäß § 68 Abs. 1 FlurbG tritt die Landabfindung hinsichtlich der Rechte an den alten Grundstücken und der diese Grundstücke betreffenden Rechtsverhältnisse, die nicht aufgehoben werden, an die Stelle der alten Grundstücke. Diese in § 68 Abs. 1 FlurbG vorgesehene Surrogation wirkt nicht nur für den Augenblick der Rechtsänderung, also in dem Augenblick für den die Ausführung des rechtskräftigen Flurbereinigungsplans angeordnet worden ist (§ 61, § 62, § 63 FlurbG), sondern die Surrogation gilt, wie das LG Bamberg durch Beschluß vom 19.4.1973 (vgl. MittBayNot 1973, 153) festgestellt hat, für das gesamte Flurbereinigungsverfahren, also bis zu dessen Abschluß d. h. bis zur Eintragung der Ersatzgrundstücke in das Grundbuch. Dies folgt aus den dem Flurbereinigungsverfahren eigenen Rechtsbeziehungen.

Tritt im Zuge einer Flurbereinigung nach Auflassung, aber noch vor der Eintragung im Grundbuch an die Stelle des aufgelassenen Einlagegrundstücks ein Ersatzgrundstück, so bedarf es weder einer Erneuerung der Auflassung noch einer Berichtigung der Bezeichnung des aufgelassenen Grundstücks (vgl. BayObLG MittBayNot 1972, 293). Der für die Auflassung geltende Surrogationsgrundsatz ist auch bei einer anderen dinglichen Verfügung als der Auflassung, also bei einer dinglichen Belastung des Grundstücks bedeutsam. Nach Überzeugung der Beschwerdekammer muß die in § 68 Abs. 1 FlurbG vorgesehene Surrogation im Hinblick auf die Eigenart des Flurbereinigungsverfahrens und den damit verbundenen Austausch der realen Grundstücksflächen bei gleichbleibendem Eigentum den Besonderheiten dieses Verfahrens angepaßt werden. Wenn das FlurbG vorschreibt, daß die Ersatzgrundstücke automatisch an die Stelle der Einlagegrundstücke treten, so kann man, wie das LG Bamberg (a.a.O.) rechtsfehlerfrei ausgeführt hat, dieser Vorschrift nicht nur Geltung bis zur Rechtskraft des Flurbereinigungsplans bzw. bis zu dem Tag, an dem die Ausführungsanordnung in Kraft tritt zumessen, sondern muß den dieser Vorschrift eigenen Gedanken bis zur Durchführung des Flurbereinigungsplanes -, nämlich der Eintragung des Austauschgrundstückes ins Grundbuch -, beachten.

Das Rechtsverhältnis an den alten Grundstücken, nämlich die Grundschuld setzt sich somit automatisch nach Ausführung des Flurbereinigungsplanes an den Ersatzgrundstücken fort. Entgegen der Ansicht des Grundbuchamtes ist die Grundschuld rechtswirksam entstanden. Dem steht auch nicht entgegen, daß das Einlagegrundstück zum Zeitpunkt der Bestellung der Grundschuld und deren Eintragung ins Grundbuch als solches nicht mehr existent war, da sich die Rechtsverhältnisse dieses Grundstücks (Eigentum u. a.) an dem Austauschgrundstück fortsetzen (vgl. BayObLG a.a.O.).

Der das gesamte Flurbereinigungsverfahren bestimmende Surrogationsgrundsatz verknüpft das Einlage- und das Ersatzgrundstück als rechtlich identisch, so daß die unrichtige Bezeichnung in der notariellen Urkunde dem Vollzug der auf dieses identische Grundeigentum bezogenen Verfügungen nicht schadet (vgl. Promberger MittBayNot 1972, 294).

Dies entspricht auch den Bedürfnissen der Praxis. Der Notar hat grundsätzlich keine Kontrolle über den Stand des Flurbereinigungsverfahrens. Es besteht für ihn auch keine Rechtspflicht, sich bei jeder Beurkundung vorab über die Frage zu orientieren, ob ein Flurbereinigngsverfahren angeordnet ist oder nicht. Es würde folglich zu unüberschaubaren Schwierigkeiten führen, wollte man die Surrogationswirkung des § 68 Abs. 1 FlurbG auf den Augenblick der Veränderung des Rechtszustandes beschränken und alle dinglichen Verfügungen, die - ausgehend von dem Inhalt des Grundbuchs - getroffen worden sind, als unwirksam erachten.