Oberlandesgericht Schleswig, Beschluss vom 02.03.1964 - 2 W 13/64 = RdL 1964 S. 305

Aktenzeichen 2 W 13/64 Entscheidung Beschluss Datum 02.03.1964
Gericht Oberlandesgericht Schleswig Veröffentlichungen RdL 1964 S. 305  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Die Flurbereinigungsbehörde hat in Grundbuchsachen ein selbständiges Beschwerderecht.
2. Durch die Einleitung eines Flurbereinigungsverfahrens werden die Eigentümer in ihrer Verfügungsmacht über ihren Grundbesitz nicht beschränkt. Von dem in der Ausführungsanordnung genannten Zeitpunkt an können sie aber nicht mehr über ihre alten Grundstücke, sondern nur noch über die neuen Austauschgrundstücke verfügen. Diese Verfügung ist jedoch dann unzulässig, wenn die Austauschgrundstücke lage- und flächenmäßig noch nicht genau gekennzeichnet sind.
3. Von dem in der Ausführungsanordnung genannten Zeitpunkt an können Grundpfandrechte auf dem Grundbesitz nicht mehr ohne Zutun der Flurbereinigungsbehörde eingetragen werden.

Aus den Gründen

Das im Grundbuch von W. eingetragene Grundstück nimmt am Flurb.Verfahren teil. Das Kulturamt setzte durch Ausführungsanordnung vom 7.2.1963 als Zeitpunkt des neuen Rechtszustandes und der rechtlichen Wirkung des Flurb.Planes den 15.3.1963 fest und übersandte mit Schreiben vom 7.2.1963, eingegangen am 12.2.1963, dem AG eine Ausfertigung der Ausführungsanordnung zur Kenntnisnahme. Am 6.3.1963 reichte die Beschwerdeführerin durch den Notar den am 17.4.1962 mit der Bäuerin N. geschlossenen Kaufvertrag nebst Auflassungserklärung vom 25.2.1963 betr. die Parzelle 67/2 beim Grundbuchamt ein zwecks Umschreibung des Teilgrundstücks. Ferner bewilligte die Beschwerdeführerin in notarieller Urkunde vom 25.2.1963 eine Grundschuld über 15 000 DM zugunsten der Kreditbank AG und reichte den entsprechenden Antrag am 9.3.1963 beim Grundbuchamt ein. Dieses trug am 30.4.1963 die beantragte Parzellenabschreibung und die Grundschuld im Grundbuch ein.

Am 30.5.1963 beantragte das Kulturamt, das Grundbuch entsprechend dem Flurb.Plan zu berichtigen. Das Grundbuchamt sah sich hierzu außerstande, weil die Eintragungen vom 30.4.1963 im Teilnehmernachweis nicht berücksichtigt waren, und wies das Kulturamt darauf hin. Dieses teilte die Bedenken nicht, meinte vielmehr, die fraglichen Eintragungen seien unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften vorgenommen worden, und regte an, von Amts wegen einen Widerspruch gemäß § 53 GBO einzutragen. Das AG hat abgelehnt, Amtswidersprüche gegen die Eintragungen vom 30.4.1963 im Grundbuch zu vermerken. Es hat ferner dem Kulturamt durch Zwischenverfügung vom 26.9.1963 unter Fristsetzung anheimgegeben, den Teilnehmernachweis - bei Vermeidung der Zurückweisung des Eintragungsersuchens - zu ergänzen.

Auf die gegen den ablehnenden Beschluß eingelegte Beschwerde des Kulturamts hat das LG das AG angewiesen, gemäß § 53 GBO von Amts wegen Widersprüche gegen die im Bestandsverzeichnis vermerkte Abschreibung der Parzelle und gegen die in Abt. III vermerkte Grundschuld von 15 000 DM im Grundbuch einzutragen. In den Gründen hat es ausgeführt: Das Grundbuch sei durch die beanstandeten Eintragungen unrichtig geworden. Diese seien auch unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften erfolgt; denn das Grundbuchamt dürfe auf die Bewilligung des Buchberechtigten nicht eintragen, wenn es Tatsachen kenne, nach denen das Grundbuch unrichtig sei. Hier habe sich aus der Mitteilung der Ausführungsanordnung auf Grund der Bestimmungen des FlurbG für das Grundbuchamt eindeutig ergeben, daß das Grundbuch mit dem 15.3.1963 unrichtig geworden sei. Die die Eintragungen bewilligende Grundstückseigentümerin sei im Zeitpunkt der Eintragungen nicht mehr Eigentümerin und damit auch nicht mehr bewilligungsberechtigt gewesen. Es habe den Beteiligten freigestanden, die vorzeitige Berichtigung des Grundbuchs zu veranlassen. § 878 BGB könne keine Anwendungen finden, da die Rechtsinhaberschaft der bisherigen Eigentümerin fortgefallen sei.

Das AG hat entsprechend der Anweisung die Amtswidersprüche im Grundbuch eingetragen.

Gegen den Beschluß des LG hat die Grundstückseigentümerin weitere Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend: Die Auffassung des LG, sie, die Beschwerdeführerin, habe mit dem Eintritt des neuen Rechtszustandes das Eigentum an dem alten Grundstück verloren und sei damit nicht mehr Bewilligungsberechtigte gewesen, gehe fehl. Der Eintritt der Rechtsfolgen des Flurb.Planes bewirke keinen Eigentumswechsel, sondern nur einen Wechsel des Eigentumsgegenstandes. Vor dem Eintritt des neuen Rechtszustandes getroffene Verfügungen blieben wirksam, nur der Gegenstand, auf den sie sich bezögen, werde wertgleich ausgetauscht. Es liege kein Verlust der Rechtsinhaberschaft, sondern nur eine Verfügungsbeschränkung vor, so daß § 878 BGB Anwendung finden müsse. Da der Teilnehmernachweis die veräußerte Parzelle nicht mehr in dem neuen Bestand ausweise, seien die gestellten Anträge ohne eine nachträgliche Sonderung durch das Kulturamt gar nicht zu verwirklichen gewesen. Nach § 64 FlurbG habe das Kulturamt im übrigen eine gerichtliche Entscheidung, auch wenn sie nach der Ausführungsanordnung ergangen sei, in den Flurb.Plan aufzunehmen. Als gerichtliche Entscheidung im Sinne dieser Vorschrift sei auch eine Eintragung in das Grundbuch anzusehen.

Die weitere Beschwerde ist unbegründet.

Die Rüge der Beschwerdeführerin, dem Kulturamt habe mangels Beschwer kein Beschwerderecht gegen die amtsgerichtliche Entscheidung zugestanden, geht fehl. Das Kulturamt hat in Grundbuchsachen ein selbständiges Beschwerderecht, da andernfalls, wie der vorliegende Fall gerade zeigt, die am Flurb.Verfahren Beteiligten es in der Hand hätten, Eintragungen in das Grundbuch zu erzielen, die der Durchführung des Flurb.Verfahrens entgegenwirkten (vgl. OLG Celle in Nds.Rpfl. 1949, 70; KG in JW 1935, 1716). Es konnte demgemäß hier die Beschwerde nicht nur gegen die Zwischenverfügung des Rechtspflegers auf Ergänzung des Teilnehmerverzeichnisses richten, sondern auch gegen den zurückweisenden Beschluß des AG selbst.

Das LG hat gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO die Eintragung der Widersprüche im Ergebnis zu Recht angeordnet. Denn das Grundbuchamt hat diese Eintragungen unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften vorgenommen, und durch sie ist das Grundbuch unrichtig geworden.

Hinsichtlich der aufgelassenen Parzelle hat die Beschwerdeführerin entgegen der Ansicht des LG die Abschreibung als Berechtigte bewilligt (§ 19 GBO). Kaufvertrag und Auflassungserklärung nennen zwar nur die Parzelle 67/2. Damit ist aber gemäß § 15 des Kaufvertrages, wonach die Käuferin an Stelle der Verkäuferin wegen der gekauften Flächen in das Flurb.Verfahren eintritt, nicht speziell nur diese Parzelle gemeint, sondern auch die zu gegebener Zeit im Rahmen der Flurb. an deren Stelle tretende Austauschparzelle. Die Beschwerdeführerin blieb, solange das Flurb.Verfahren lief, Eigentümerin ihres im Grundbuch verzeichneten Grundbesitzes; sie war durch die Einleitung des Flurb.Verfahrens in ihrer Verfügungsmacht über diesen Grundbesitz nicht beschränkt worden (vgl. § 15 FlurbG; Lurz NJW, 1955, 1780 (1781); Seehusen RdL 1955, 317 (318); Steuer, FlurbG 1956, § 15 Anm. 1 und § 66 Anm. 3). Erst mit dem in der Ausführungsanordnung genannten Zeitpunkt, dem 15.3.1963, trat gemäß § 61 Satz 2 FlurbG der Wechsel des Eigentumsgegenstandes außerhalb des Grundbuchs nach dem Surrogationsprinzip ein (Seehusen-Schwede-Nebe, FlurbG 1954, § 68 Anm. 1; Steuer aaO § 68 Vorbem.; Lurz aaO; KGJ 38, A 246 (249)). Erst von diesem Zeitpunkt an konnte die Beschwerdeführerin nicht mehr über das alte Grundstück, hier die Parzelle 67/2, verfügen; sie hatte in der Folgezeit Eigentum und Verfügungsmacht lediglich hinsichtlich des neuen Austauschgrundstücks. Nur auf dieses erstreckten sich fürderhin die bisher auf das alte Grundstück bezogenen Rechte Dritter, die durch das Flurb.Verfahren grundsätzlich nicht berührt werden. Dabei sind die persönlichen Ansprüche ebenso zu wahren wie die dinglich gesicherten Rechte (Seehusen-Schwede-Nebe aaO § 68 Anm. 1 und Seehusen RdL 1955, 317 (318)). Demgemäß erstreckten sich hier Kaufvertrag und Auflassung, die vor dem 15.3.1963 beurkundet waren, nach diesem Zeitpunkt ohne weiteres auf die Austauschparzelle. Ob die Durchführung dieser Auflassung, also die Umschreibung im Grundbuch, wie das Kulturamt meint, so lange ausgeschlossen ist, wie die Abfindungsgrundstücke noch nicht in das Grundbuch übernommen und grundbuchmäßig noch nicht als besondere Grundstücke des Teilnehmers ausgewiesen sind (so Seehusen RdL 1955, 317 (318)), bedurfte keiner Entscheidung. Hier scheiterte eine Umschreibung der Parzelle 67/2 schon daran, daß die an deren Stelle getretene Abfindungsparzelle lage- und größenmäßig nicht gekennzeichnet ist. Ein Auflassungsanspruch erfordert aber, daß der Vertragsgegenstand bestimmt oder wenigstens bestimmbar ist. Dazu gehört, daß ein verkaufter Grundstücksteil nach Lage und Größe so genau bezeichnet ist, daß Zweifel ausgeschlossen sind (KG in JW 1937, 110; KGJ 29, A 135 (137); RG in HRR 34 Nr. 1222; Güthe-Triebel, GBO 7. Aufl., § 25 Anm. 16 S. 607 unten; Staudinger BGB 11. Aufl., § 883 Rdn. 7 und 14 c; unveröffentlichte Entscheidung des Senats in 2 W 89/62). Daran fehlt es hier. Ausweislich des Teilnehmernachweises umfaßt der alte Grundbesitz der Beschwerdeführerin 14 Flurstücke in einer Gesamtgröße von 26,3707 ha, während der neue Bestand 4 Flurstücke in einer Größe von insgesamt 26,22 ha ausweist. Für die verkaufte Parzelle 67/2 ist keine besondere Austauschparzelle vorgesehen; so entspricht denn auch keine Austauschparzelle größenmäßig genau der Parzelle 67/2. Läßt sich aber nicht sagen, welcher Teil der Austauschparzelle mit der Auflassung übertragen werden sollte, so war diese nicht nur unklar, sondern unvollständig und für die Umschreibung nach dem 15.3.1963 ungeeignet. Sie steht einer von Anfang an nicht hinreichend bestimmten und deswegen rechtsunwirksamen Auflassung (vgl. Güthe-Triebel aaO § 3 Anm. 68; Henke-Mönch-Horber, GBO 7. Aufl., § 2 Anm. 7 C; BayObLG in JFG 3, 283 (284/285); RG in DR 1941, 2196; KG in OLGE 6, 211) gleich. Es wäre Sache der Beschwerdeführerin gewesen, vor Abschluß des Kaufvertrages über das Teilgrundstück, das sich bereits seit dem Jahre 1954 im Flurb.Verfahren befand, durch Fühlungnahme mit dem Kulturamt klarzustellen, welche Austauschparzelle für die verkaufte Parzelle vorgesehen war, und demgemäß im Kaufvertrage und in der Auflassungserklärung zu vermerken, welches Flurstück im Flurb.Verfahren an die Stelle des verkauften Einlagegrundstücks tritt (vgl. Lurz NJW 1955, 1780, 1781). Die allgemeine Klausel im § 15 des Kaufvertrages reicht nicht aus.

Damit hat das AG durch die Abschreibung der Parzelle 67/2 gegen die §§ 20, 2 Abs. 3 GBO verstoßen. Hierdurch sind die Grundbücher inhaltlich unrichtig geworden, da mangels genauer Bezeichnung der Austauschparzelle auch in dem Abschreibungsvermerk eine Eigentumsübertragung rechtswirksam nicht erfolgt ist. Somit ist der Amtswiderspruch gegen den Abschreibungsvermerk aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Gleiches gilt von dem Amtswiderspruch gegen die Grundschuld.

Soweit das AG auch hierzu gemäß § 17 GBO allein auf den zeitlichen Eingang der Eintragungsanträge abgestellt hat, hat es die rechtliche Bedeutung der Ausführungsanordnung vom 7.2.1963 verkannt. Die kraft Gesetzes (§ 61 FlurbG) mit dem in der Anordnung genannten Zeitpunkt eintretende Änderung des Rechtszustandes bewirkt zwar keine Grundbuchsperre und auch keine Verfügungsbeschränkung des Eigentümers. Aus dem Umstand, daß die Rechte an den alten Grundstücken nach § 68 FlurbG an dem Austauschgrundstück nur insoweit fortbestehen, als sie nach § 49 FlurbG im Rahmen der Flurbereinigung nicht aufgehoben worden sind, folgt aber, daß die Bewilligungen auf Eintragung von Grundpfandrechten mit dem fraglichen Zeitpunkt grundbuchlich auf dem alten Grundstück nicht mehr ohne Zutun der Flurb.Behörde durchgeführt werden können. Es ist gerade die Aufgabe der Flurb.Behörde, im Rahmen der Flurb. gleichzeitig die rechtlichen Verhältnisse, und zwar auch die privatrechtlichen, zu ordnen, insbesondere über bestehende und neu zu begründende Rechte zu befinden (Steuer aaO § 37 Anm. 12). Sie müssen, soweit sie Inhalt des für das Abfindungsgrundstück anzulegenden neuen Grundbuchs werden sollen, im Flurb.Plan aufgeführt sein (§ 80 FlurbG). Der Flurb.Plan bildet die Eintragungsgrundlage für die Berichtigung des Grundbuchs. Solange der in jenem vorgesehenen Rechtszustand noch nicht eingetreten ist, können alle zwischenzeitlichen Rechtsänderungen von den Flurb.Behörden durch entsprechende Änderungen bei der Neuordnung berücksichtigt werden. Ist diese Neuordnung mit dem in der Ausführungsanordnung bestimmten Zeitpunkt aber eingetreten, so können Grundstücksbelastungen auf Grund vorangegangener Rechtsgeschäfte im Grundbuch nur noch im Rahmen des Flurb.Planes eingetragen werden. Es bedarf daher zuvor dessen Ergänzung, also der Zustimmung des Kulturamtes. Ohne eine solche konnte die Beschwerdeführerin nach dem 15.3.1963 eine Grundschuld, die sich überhaupt nur noch auf das Ersatzgrundstück hätte erstrecken können, nicht mehr bestellen. Allein die Bewilligung vom 25.2.1963 war hierfür keine geeignete Eintragungsgrundlage mehr.

Um die erheblichen Unzuträglichkeiten und wirtschaftlichen Gefahren zu vermeiden, die für den Eigentümer dadurch entstehen können, daß er für den langen Zeitraum bis zur Berichtigung des Grundbuchs gehindert ist, über seinen Grundbesitz zu disponieren, ist von der Rechtsprechung für den früheren Rechtszustand die Theorie entwickelt worden, daß das eingeworfene Grundstück grundbuchlich das Abfindungsgrundstück bis zur Grundbuchberichtigung repräsentiere (RGZ 11, 250, 253/254). Dieses Hilfsmittel der Vertretung der ausgewiesenen Landabfindung durch den noch eingetragenen alten Besitzstand bedarf es nach dem neuen Rechtszustand nicht mehr. Hierzu weist Seehusen in RdL 1955, 317 (318) zu Recht darauf hin, daß die Grundbuchberichtigung nach dem Flurb.Plan bereits durchgeführt werden kann, bevor das Liegenschaftskataster berichtigt ist; denn nach § 81 Abs. 1 FlurbG dient der Flurb.Plan bis zur Berichtigung des Liegenschaftskatasters als amtliches Verzeichnis im Sinne des § 2 Abs. 2 GBO, so daß die Grundbuchberichtigung wesentlich vereinfacht und beschleunigt wird. Im vorliegenden Falle sind zwischen dem Eintritt des neuen Rechtszustandes und dem Eingang des Berichtigungsersuchens beim Grundbuchamt 2 1/2 Monate vergangen. Außerdem ermöglicht § 82 FlurbG, das Grundbuch für einzelne Teilnehmer bei besonderer Dringlichkeit vorweg zu berichtigen. Hiervon hat die Beschwerdeführerin keinen Gebrauch gemacht. Schließlich geht ihr Hinweis auf § 878 BGB fehl. Diese Bestimmung findet hier schon deswegen keine Anwendung, weil die Beschwerdeführerin, wie oben ausgeführt, in ihrer Verfügungsmacht selbst nicht beschränkt worden ist.