BayObLG München, Beschluss vom 13.07.1972 - BReg. 2 Z 38/72 = RdL 1972 S. 234= NJW 1972 S. 2132= AgrarR 1972 S. 55
Aktenzeichen | BReg. 2 Z 38/72 | Entscheidung | Beschluss | Datum | 13.07.1972 |
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Gericht | BayObLG München | Veröffentlichungen | = RdL 1972 S. 234 = NJW 1972 S. 2132 = AgrarR 1972 S. 55 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Tritt im Zuge einer Flurbereinigung nach Auflassung, aber noch vor deren Eintragung im Grundbuch an die Stelle des aufgelassenen Einlagegrundstücks ein Ersatzgrundstück, so bedarf es weder einer Erneuerung der Auflassung noch einer Berichtigung der Bezeichnung des aufgelassenen Grundstücks. |
Aus den Gründen
I. 1. Zu notarieller Urkunde vom 18.5.1971 hoben die Erben des am 17.2.1969 verstorbenen F. S. S., H. (zu 1/2), I. und H. (je zu 1/4) S., die Erbengemeinschaft teilweise auf und setzten sich insoweit in der Weise auseinander, daß H. S. den Hälfte-Miteigentumsanteil am Grundstück Flst.-Nr. 250 der Gemarkung N. zugewiesen und übertragen erhielt. Da ihm die andere Grundstückshälfte bereits gehörte, sollte er Alleineigentümer werden. Die Beteiligten erklärten die Auflassung. Sie bewilligten und beantragten die Eintragung dieser Rechtsänderung im Grundbuch.
Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts trat bei der Flurbereinigung N. mit der Rechtskraft des Flurbereinigungsplanes am 1.7.1971 an die Stelle des Einlagegrundstücks Flst.-Nr. 250 zu 0,2785 ha das Ersatzgrundstück Flst.-Nr. 250 zu 0,2817 ha.
2. Auf den vom Notar unter Bezugnahme auf § 15 GBO gestellten Vollzugsantrag vom 17./20.1.1972 verlangte das Grundbuchamt (Rechtspfleger) unter Hinweis auf den neuen Rechtszustand durch Zwischenverfügung vom 25.4.1972 die Vorlage einer Auflassungsurkunde über das Ersatzgrundstück. Zur Beseitigung des von ihm angenommenen Eintragungshindernisses setzte es eine Frist.
Gegen die Zwischenverfügung erhob der Notar am 3./5.5.1972 Erinnerung. Ihr halfen der Rechtspfleger und der Grundbuchrichter nicht ab. Letzterer legte sie gemäß § 11 Abs. 2 RpflG dem LG als Beschwerde gegen die Zwischenverfügung vor.
3. Das LG wies die Beschwerde mit Beschluß vom 10.5.1972 als unbegründet zurück: Gemäß § 19 GBO könne für die Eintragung im Grundbuch nur die Bewilligung des verfügungsberechtigten Betroffenen z.Z. der Eintragung in Betracht gezogen werden. Daran fehle es hier, weil die von den Beteiligten erklärte Verfügung einen nicht mehr existierenden Gegenstand betreffe. Das in der Urkunde bezeichnete Grundstück Flst.-Nr. 250 sei am 1.7.1971 durch das Ersatzgrundstück Flst.-Nr. 250 ersetzt worden, das zudem um 32 qm gegenüber dem Einlagegrundstück größer sei. Durch diese außerhalb des Grundbuchs eingetretene Rechtsänderung habe das Einlagegrundstück zu bestehen aufgehört und es sei z.Z. des Eingangs des Vollzugsantrags als tauglicher Gegenstand rechtsgeschäftlicher Verfügungen untergegangen gewesen. Ersatz- und Einlagegrundstücke seien rechtlich nicht identisch. Letzteres trage nicht nur eine andere Bezeichnung, es besitze auch eine nicht unerheblich abweichende Größe.
4. Gegen diesen Beschluß des LG richtet sich die weitere Beschwerde, die der Notar am 8./15.6.1972 für die Beteiligten beim LG eingelegt hat. Er ist der Auffassung, daß die Auflassung des Ersatzgrundstücks nicht notwendig sei, weil Einlage- und Ersatzgrundstück rechtlich identisch seien, was dem Grundbuchamt durch Vorlage des Flurbereinigungsplanes nachgewiesen sei.
II. Das zulässige und in gesetzlicher Form erhobene Rechtsmittel (§§ 15, 78, 80 Abs. 1 Sätze 1 und 3 GBO) ist begründet.
Gemäß § 20 GBO darf im Falle der Auflassung eines Grundstücks die Eintragung nur erfolgen, wenn die erforderliche Einigung des Berechtigten und des anderen Teils erklärt ist. Diese Voraussetzungen liegen vor. Einer Neuauflassung des Ersatzgrundstücks bedarf es nicht.
1. Entsprechend dem früheren Reichsrecht (§ 68 Nr. 1 RVO) und dem bis zum Inkrafttreten des FlurbG vom 14.7.1953 für Bayern maßgeblichen Recht (Art. 10 Abs. 4, Art. 19, 20 Abs. 2 des Bayerischen Flurbereinigungsgesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 11.2.1932 (GVBl. S. 73), wiedereingeführt durch Gesetz Nr. 24 vom 15.6.1946 (GVBl. S. 185) - BayFlurbG - gilt auch nach § 68 Abs. 1 Satz 1 FlurbG der Surrogationsgrundsatz (BayObLGZ 1969, 263/270 = RdL 1970, 18/19; Staudinger-Promberger, BGB, 10./11. Aufl., EGBGB Art. 113, Rdnrn. 14 ff., 20; Kaiser, RdL 1965, 140 ff; Seehusen, RdL 1954, 205 ff., 233 ff.; vgl. v. Spreckelsen, DJ 1937, 1074 ff., ferner Schwarz, MittBayNot. 1972, 51/52 zum Umlegungsverfahren nach § 45 ff. BBauG). Der."Landabfindung" wird durch die Worte."tritt ... (hinsichtlich der Rechte an den alten Grundstücken) an die Stelle der alten Grundstücke" (§ 68 Abs. 1 Satz 1 FlurbG) wie früher nach Art. 10 Abs. 4, 20 Abs. 2 BayFlurbG die rechtliche Stellung eines Surrogats der alten Grundstücke zugewiesen. Die neue im Flurbereinigungsplan ausgewiesene reale Grundstücksfläche tritt als Surrogat an die Stelle des alten realen Grundstücks mit der Folge, daß, abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Fall des § 49, § 58 Abs. 1 FlurbG, an ihr dieselben Rechtsverhältnisse bestehen, die am alten Grundstück bestanden. Rechtlich vollzieht sich der Austausch nicht dadurch, daß das Eigentum an den ursprünglichen Flächen untergeht und hierfür als Entschädigung ein neues Grundstück gegeben wird (vgl. BVerwGE 12, 1/5 für § 13 Abs. 1 Württ.-Bad. BaulandG). Die Änderung betrifft nicht die Person des Eigentümers oder des sonstigen dinglichen Berechtigten, sondern den Gegenstand des Eigentums oder des Rechts. Der Flurbereinigungsplan begründet daher nicht die Änderung des Rechtsverhältnisses, sondern die des Sachverhältnisses (BayObLGZ, a.a.O., S. 271 mit Nachweisen). Das an der Abfindungsfläche bestehende Eigentum ist dasselbe, das an den alten Grundstücken bestand. Es hat in dem Ersatzgrundstück ausschließlich ein "neues Objekt" erhalten (Seehusen, a.a.O., S. 208). Vor Eintritt des neuen Rechtszustandes wird durch Verfügung noch das Eigentum an den früheren Grundstücken veräußert. Der Erwerber muß sich aber darauf einstellen, daß seine Rechte nach der Flurbereinigung am Surrogat bestehen werden. Kommt es ihm daher bei einem Erwerb auf die besondere örtliche Lage an (z.B. bei einem Bauplatz), muß er den Eigentümer ermitteln, der nach der Flurbereinigung das örtlich gewünschte Grundstück erhalten wird. Die Verfügung ist über dessen früheren Grundbesitz zu erklären und im Grundbuch einzutragen (Staudinger-Promberger, a.a.O., Rdnr. 17).
Wer nämlich ein Grundstück erwirbt, daß im Flurbereinigungsgebiet liegt, muß das bis zu seiner Eintragung im Grundbuch durchgeführte Verfahren gegen sich gelten lassen (§ 15 Satz 1 FlurbG). Tritt demnach der im Flurbereinigungsplan vorgesehene Rechtszustand zu dem in der Ausführungsanordnung bestimmten Zeitpunkt gemäß § 61 ff. FlurbG bereits vor der Eintragung im Grundbuch an die Stelle des bisherigen, so bezieht sich nunmehr die Auflassung von selbst auf das Ersatzgrundstück, weil von Gesetzes wegen dieses Ersatzgrundstück an die Stelle des bisherigen Einlagegrundstücks getreten ist und sich ein Sach-, nicht ein Eigentumswechsel vollzogen hat. Das Eigentum an den alten Grundstücken ist mit den an ihre Stelle getretenen Abfindungsgrundstücken identisch (OLG Schleswig, RdL 1964, 305/306 und Büro 1967, 935; vgl. LG Wiesbaden, Rpfl. 1971, 216 mit zustimmender Anmerkung von Haegele, Röll, DNotZ 1961, 635/641, je für das Umlegungsverfahren nach §§ 45 ff. BBauG). Deshalb stellt auch die Nr. VI 10 Abs. 1 der Gemeinsamen Bekanntmachung über den Vollzug des Flurbereinigungsgesetzes vom 24.5.1960 (BayJMBl. S. 95/100) fest, daß eine Flurbereinigung den Grundstücksverkehr nicht unterbindet.
Dieses Ergebnis kann je nach Lage des Falles für den einen oder anderen Vertragsteil wirtschaftlich nachteilig sein. Eine solche Folge berührt jedoch allein das der Auflassung zugrundeliegende Rechtsverhältnis, nicht aber die Wirksamkeit der Auflassung selbst.
2. Als im vorliegenden Fall der Erbengemeinschaft, sich am 18.5.1971 teilweise auseinandersetzend, den Hälfte-Miteigentumsanteil an dem Grundstück Flst.-Nr. 250 (alt) an H. S. übertrug, erklärten die hierüber Befugten die Auflassung. Damit erwarb der Auflassungsempfänger das dem Eigentumsrecht wesensverwandte, zum Erstarken zum Vollrecht hin angelegte Eigentumsanwartschaftsrecht auf diesen Grundstücksanteil (BayOBLGZ 1971, 307 = MittBayNot. 1971, 358 = DNotZ 1972, 233 = MDR 1972, 143 = RdL 1972, 34 = Rpfl. 1972, 16 mit weiteren Nachweisen, insbesondere Hoche, NJW 1955, 161, 652, 931). Mit der Rechtskraft des Flurbereinigungsplans trat zu dem in der Ausführungsanordnung vorgesehenen Zeitpunkt (1.7.1971) an die Stelle des bisherigen Grundstücks Flst.-Nr. 250 (alt) das Ersatzgrundstück Flst.-Nr. 250 (neu). Der Erwerber S. wurde damit von Gesetzes wegen dessen hälftteiliger Miteigentümer wegen seiner entsprechenden Rechtsstellung am Einlagegrundstück und erwarb als Auflassungsempfänger bezüglich des anderen Hälfteanteils das dingliche Eigentumsanwartschaftsrecht, gleichgültig, ob das Ersatzgrundstück nach seiner Beschreibung und Größe dem Einsatzgrundstück entspricht oder nicht, denn die Rechte daran setzen sich nach dem dargelegten Surrogationsprinzip am Ersatzgrundstück unmittelbar fort.
Die Feststellung des nunmehr von der Auflassung betroffenen Objekts ist hier dem Grundbuchamt ohne weiteres möglich. Nach § 79 ff. FlurbG hat das Grundbuchamt auf Ersuchen der Flurbereinigungsbehörde unter Vorlage des Flurbereinigungsplanes, der bis zur Berichtigung des Liegenschaftskatasters als amtliches Verzeichnis der Grundstücke gemäß § 2 Abs. 2 GBO dient (§ 81 Abs. 1 FlurbG; vgl. Horber, GBO, 12. Aufl., § 2, Anm. 3, b), das Grundbuch zu berichtigen (vgl. Horber, a.a.O., § 22, Anm. 2, § 38 Anm. 2, p). Danach ergibt sich aus den Eintragungen im Bestandsverzeichnis in der Regel unmittelbar und leicht erkennbar, welches Ersatzgrundstück an die Stelle welchen Einlagegrundstückes getreten ist. Es bedarf deshalb auch nicht einer Berichtigung der Bezeichnung des aufgelassenen Grundstücks nach § 28 GBO (vgl. OLG Schleswig, a.a.O.).