Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.11.1965 - IV CB 224.65 = IK 1967 S. 205
Aktenzeichen | IV CB 224.65 | Entscheidung | Beschluss | Datum | 22.11.1965 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = IK 1967 S. 205 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Zur Begründung der sofortigen Vollziehung im überwiegenden Interesse. |
Aus den Gründen
Nach § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung darf nur unter den in § 80 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen, von denen hier allein diejenigen von § 80 Abs. 2 Ziff. 4 VwGO in Betracht kommen, beseitigt werden. Demgemäß ist die von der Beklagten erlassene Anordnung der sofortigen Vollziehung nur dann gerechtfertigt, wenn sie im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten angeordnet worden ist.
Die Anordnung hat Bestand. Sie wird durch das überwiegende Interesse des Beigeladenen an dem nicht weiter verzögerten Bau der Garage gerechtfertigt. Wenn durch ein und dieselbe behördliche Maßnahme nicht nur ein Bürger belastet oder begünstigt wird, so ist, wenn nicht schon ein öffentliches Interesse den Ausschlag gibt, mit der Anordnung einer sofortigen Vollziehung in erster Linie zwischen widerstreitenden Bürgerinteressen zu entscheiden. Der vom Rechtsstaatsgedanken gebotene Schutz des einzelnen gegenüber der Übermacht des Staates, der, um die Wirksamkeit des in Art. 19 Abs. 4 GG verankerten Grundrechts zu gewährleisten, eine sofortige Vollziehung von staatlichen Maßnahmen gegenüber dem Bürger nur in den engen und strengen Grenzen des § 80 Abs. 2 Ziff. 1 bis 4 1. Alternative VwGO zuläßt, tritt daher zurück. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung hat in solchen Fällen mehr schiedsrichterlichen Charakter. Dem trägt § 80 Abs. 2 Ziff. 4 2. Alternative VwGO Rechnung, indem insoweit auf das "überwiegende Interesse eines Beteiligten" abgestellt wird. Die Vorschrift erfüllt damit zugleich die unverzichtbare Aufgabe, einem Mißbrauch des Grundsatzes der aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln in Fällen vorzubeugen, in denen der Grundsatz seinem eigentlichen rechtsstaatlichen Ziel nur noch teilweise oder, wie sich im Einzelfall durchaus denken läßt, gar nicht mehr dient. Ein überwiegendes Interesse eines Beteiligten im Sinne der Vorschrift ist daher dann zu bejahen, wenn das eingelegte Rechtsmittel mit erheblicher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird und zugleich eine Fortdauer seiner aufschiebenden Wirkung dem anderen, begünstigten Beteiligten gegenüber unbillig erscheinen muß.