Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24.06.1970 - IV B 219.68 = RdL 1971 S. 103

Aktenzeichen IV B 219.68 Entscheidung Beschluss Datum 24.06.1970
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen RdL 1971 S. 103  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Die Anwendung von § 134 Abs. 3 in Verbindung mit § 134 Abs. 2 FlurbG setzt die Versäumung einer Frist voraus. Sie ist deshalb auf die Fiktionswirkung nach § 142 Abs. 3 FlurbG ausgeschlossen.
2. Zur Frage der Fiktion der Beschwerdeablehnung nach § 142 Abs. 3 FlurbG.

Aus den Gründen

Die Frage, ob das Flurbereinigungsgericht die vom Kläger mit Schriftsatz vom 21. März 1968 "zur weiteren Konkretisierung" seiner Schätzbeschwerde vorgebrachten Beschwerdepunkte zum Gegenstand der von ihm am 22. März 1967 erhobenen Untätigkeitsklage zu machen und in die rechtliche Beurteilung einzubeziehen hatte, weist keine grundsätzliche Bedeutung auf. Diese Frage läßt sich unmittelbar aus § 142 Abs. 3 FlurbG beantworten. Danach gilt der Umstand, daß die Behörde über eine Beschwerde innerhalb einer Frist von sechs Monaten nicht entschieden hat, als ablehnender Bescheid. Aus dieser gesetzlichen Konstruktion ergibt sich, daß der Fiktion der Beschwerdeablehnung nach § 142 Abs. 3 Satz 1 FlurbG dieselbe rechtliche Bedeutung und Wirkung zukommt wie einem ablehnenden formellen Beschwerdebescheid. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Fiktion der Einspruchsablehnung nach § 48 Abs. 2 Satz 1 MRVO Nr. 165, dem die Vorschrift des § 142 Abs. 3 Satz 1 FlurbG nachgebildet ist, ausgesprochen hat und worauf auch der Kläger zutreffend hinweist, eine Zulässigkeitsvoraussetzung für die Klage zu schaffen und zu vermeiden, daß die unterlassene Bescheidung der Beschwerde die Erhebung einer Anfechtungsklage unmöglich machen würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.12.1953 - BVerwG II C 105.53 - (BVerwGE 1, 55 f.)). Diese Ausführungen sind jedoch nicht dahin zu verstehen, daß trotz der Fiktion der Beschwerde- bzw. Einspruchsablehnung das Vorverfahren seinen Fortgang nehmen würde. Vielmehr wollte das Bundesverwaltungsgericht mit seiner Feststellung, daß sich die Fiktion der Einspruchsablehnung in der Schaffung einer Zulässigkeitsvoraussetzung erschöpfe, nur klarstellen, daß die Behörde auch nach dem Eintritt der Fiktionswirkung noch einen formellen Beschwerdebescheid erlassen kann, der dann an die Stelle des fingierten Bescheides tritt (vgl. auch Steuer, Flurbereinigungsgesetz, 2. Aufl., 1967, Anm. 6 zu § 142). Da nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber ein Verfahrensbeteiligter nicht mehr mit Einwendungen gehört werden kann, die nicht den Gegenstand des Vorverfahrens gebildet haben (BVerwG, Beschluß vom 3.2.1960 - BVerwG I CB 135.59 - (RdL 1960, 189)), hat das Flurbereinigungsgericht zu Recht nur die bis zum Eintritt der Fiktionswirkung am 21.3.1967 vorgebrachten Beschwerdepunkte einer rechtlichen Beurteilung unterzogen. In diesem Zusammenhang spielt es auch keine Rolle, ob der Kläger auch nach dem Ablauf des 21.3.1967 mit dem Erlaß eines Beschwerdebescheides rechnen konnte und ob seine nach diesem Zeitpunkt vorgetragenen Beschwerdepunkte in einem nachträglichen Beschwerdebescheid hätten Berücksichtigung finden können; denn ein formeller Beschwerdebescheid ist jedenfalls nicht ergangen.

Es stellt keinen Verfahrensmangel dar, daß das Flurbereinigungsgericht in diesem Zusammenhang die Vorschrift des § 134 Abs. 3 FlurbG in Verbindung mit Abs. 2 nicht geprüft hat. Die Voraussetzungen für eine Nachsichtgewährung liegen nämlich nicht vor; denn der Kläger hat für die Einlegung der Beschwerde keine gesetzliche Frist versäumt. Vielmehr hat er die Beschwerde selbst rechtzeitig eingelegt und durch die Schriftsätze vom 17. Oktober und 30. November 1966 hinreichend konkretisiert. Wenn sein weiteres Beschwerdevorbringen der Klage nicht zugrunde gelegt werden konnte, so liegt dies nicht daran, daß der Kläger insoweit eine gesetzliche Frist versäumt hat, sondern daran, daß die Fiktionswirkung nach § 142 Abs. 3 FlurbG bereits eingetreten war. Hierauf findet jedoch § 134 Abs. 3 FlurbG in Verbindung mit Abs. 2 keine Anwendung.

Eine Abweichung von dem schon angeführten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in BVerwGE 1, 55 liegt nicht vor. Denn dieses Urteil betrifft die Frage, ob gegen einen nach Eintritt der Fiktion der Einspruchsablehnung ergangenen Einspruchsbescheid noch innerhalb der regelmäßigen Klagefrist Klage erhoben werden kann. Dieser Fall liegt hier gerade nicht vor, da die Flurbereinigungsbehörde einen nachträglichen formellen Beschwerdebescheid nicht erlassen hat.

Zu Unrecht meint der Kläger weiter, daß das Urteil des Flurbereinigungsgerichts mit der Feststellung, die Abwertung der früheren Feldwege um etwa 2 bis 3 Punkte gegenüber den anliegenden Grundstücken sei nicht zu beanstanden, von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Februar 1963 - BVerwG I C 56.61 - (RdL 1963, 249) abgewichen sei. Denn dieses Urteil befaßt sich nicht mit der Frage, ob bei der Ermittlung des Nutzungswertes von dem tatsächlichen Zustand oder von einem unterstellten zukünftigen Zustand der Grundstücke auszugehen ist, sondern allein mit der Frage, ob die landschaftlich schöne Lage als wertbildendes Merkmal auch beim landwirtschaftlichen Nutzwert zu berücksichtigen ist. Ob das Flurbereinigungsgericht von Entscheidungen anderer Gerichte, wie sie der Kläger angeführt hat, oder von den in Kommentaren geäußerten Auffassungen abgewichen ist, ist für die Zulassung der Revision wegen Abweichung unbeachtlich.

Das Urteil des Flurbereinigungsgerichts ist auch hinsichtlich der an die Darlegungen eines Teilnehmers im Rahmen seiner Schätzbeschwerde zu stellenden Anforderungen nicht von den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.2.1959 - BVerwG I C 160.57 - (RdL 1959, 221) und vom 12.2.1963 - BVerwG I B 141.61 - (BVerwGE 15, 271 = RdL 1963, 217) abgewichen. Das Flurbereinigungsgericht hat das neue Beschwerdevorbringen des Klägers nicht wegen etwaiger inhaltlicher Mängel der Beschwerdeschrift, sondern wegen der bereits eingetretenen Fiktionswirkung der Beschwerdeablehnung rechtlich nicht gewürdigt. Mit dieser letzten, hier entscheidenden Frage befassen sich die vom Kläger angeführten Urteile jedoch nicht.

Weiter können die vom Kläger gerügten Verfahrensmängel der fehlenden Begründung des Urteils und der mangelhaften Sachaufklärung durch das Flurbereinigungsgericht nicht zur Zulassung der Revision führen. Denn hier ist es schon fraglich, ob der Kläger die Verfahrensmängel bezeichnet hat, wie es § 132 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt. Dazu wäre es erforderlich, daß der Kläger in der Beschwerdeschrift die verletzte Rechtsnorm und die Tatsachen bezeichnet, die den Mangel ergeben sollen (§ 139 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Die ordnungsmäßige Erhebung der Aufklärungsrüge setzt danach voraus, daß die Tatsachen und die Beweismittel, durch die diese Tatsachen bewiesen werden sollen, angegeben werden. Ferner muß dargelegt werden, daß sich die Aufklärung dem Gericht hätte aufdrängen müssen und daß das Gericht bei Vermeidung des gerügten Aufklärungsmangels zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre oder hätte gelangen können (vgl. Urteil vom 9.11.1956 - BVerwG II C 175.54 - (BVerwGE 5, 12, 13)). Statt dessen beschränkt sich die Beschwerdeschrift im wesentlichen auf die Angabe, daß auch die Frage der Fehlerhaftigkeit des Schätzrahmens der Beklagten keiner näheren Prüfung unterzogen worden sei. Tatsachen, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit des Schätzrahmens ergeben könnte, und etwaige Beweismittel hierfür enthält die Beschwerdeschrift jedoch nicht.

Auch die Rüge der fehlenden Begründung des Urteils zu einzelnen Streitpunkten greift nicht durch. Um diesen Einwand geltend zu machen, genügen nicht allgemeine und beispielhafte Hinweise in der Beschwerdeschrift, wie "in Wirklichkeit enthält das angefochtene Urteil, insbesondere auch nicht auf Seite 10 hierzu Gründe", "für die zwingend vorgeschriebene Begründung abgelehnter Angriffsmittel genügt es nicht, daß allgemein darauf hingewiesen wird, daß z. B. die Umrechnungstabelle richtig angewendet worden sei oder die Einzelbewertung nicht zu beanstanden sei" und "warum die auf Seite 3 unten des Urteils angeführten Einlageflurstücke besserer Bonität 1 bis 2 Punkte niedriger bewertet worden sind als dies die Umrechnungstabelle vorschreibt". Für die Rüge der fehlenden Gründe wäre es erforderlich gewesen, daß der Kläger eindeutig die Streitpunkte bezeichnet hätte, deren tatsächliche und rechtliche Würdigung nicht erschöpfend oder unvollständig ist, und woraus sich die Mangelhaftigkeit der Begründung ergibt. Dafür enthält die Beschwerdeschrift keine Hinweise. Dazu sei noch bemerkt, daß das Gericht nach § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht verpflichtet ist, alle von den Beteiligten überhaupt geltend gemachten Argumente zu erörtern und zu widerlegen; vielmehr kann es sich darauf beschränken, die für die Entscheidung erheblichen Punkte abzuhandeln (vgl. Beschluß vom 23. Januar 1970 - BVerwG IV DB 88.69). Daher brauchte sich das Flurbereinigungsgericht in den Gründen des Urteils nicht auf den Angriffspunkt zu äußern, daß die Flurstücke 367 bis 380 anderer Teilnehmer, die keine Einwendungen erhoben hätten, auf die Schätzeinwendungen des Klägers höher bewertet worden seien. Mit der Schätzbeschwerde konnte nämlich der Kläger außer dem Schätzrahmen selbst nur die Einreihung seiner eigenen Grundstücke in bestimmte Schätzklassen angreifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.8.1962 - BVerwG I CB 130.56 (RdL 1963, 107). In gleicher Weise hatte sich das Flurbereinigungsgericht mit der beanstandeten Einzelschätzung für das Einlagegrundstück "435 alt" deshalb nicht befassen müssen, weil dieser Beschwerdepunkt erstmals nach Eintritt der Fiktionswirkung vorgebracht worden war und daher nicht zum Gegenstand des Verfahrens gehört.

Schließlich rechtfertigen der Einwand, daß die Nichtberücksichtigung der Schätzwerte der Erstbereinigung zum Zwecke des Vergleichs sich als Ermessensfehlgebrauch im Sinne des § 114 VwGO darstelle, und die neben der Sache liegenden Rechtsausführungen zu Art. 21 Abs. 1 BayAGFlurbG unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die Zulassung der Revision. Aus ihnen ist nicht ersichtlich, ob hierdurch eine grundsätzliche Frage aufgeworfen wird, oder inwiefern eine Abweichung oder ein Verfahrensmangel vorliegen soll.