Flurbereinigungsgericht Koblenz, Beschluss vom 26.03.1985 - 9 D 9/84

Aktenzeichen 9 D 9/84 Entscheidung Beschluss Datum 26.03.1985
Gericht Flurbereinigungsgericht Koblenz Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Die Anordnung der Zwangsversteigerung für alle Abfindungsgrundstücke des Vollstreckungsschuldners wegen rückständiger Beitragsforderungen der Teilnehmergemeinschaft durch das Amtsgericht ist dann unzulässig, wenn eine genügende Befriedigung durch die Versteigerung eines Grundstückes zu erwarten ist, so daß die Zwangsversteigerung nur hinsichtlich eines Grundstückes stattfinden darf.
2. Der Vollstreckungsschuldner kann im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung begehren.

Aus den Gründen

Soweit der Antragsteller sich dagegen wendet, daß in sein unbewegliches Vermögen vollstreckt wird, muß bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände sein Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 769 ZPO als das im Verwaltungsvollstreckungsverfahren allein statthafte Begehren auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO angesehen werden. Diese Folgerung ergibt sich aus § 59 Abs. 2 Satz 2 und 3 VVG. Hiernach hat die Vollstreckungsbehörde dem Vollstreckungsschuldner unverzüglich mitzuteilen, daß sie die Vollstreckung in sein unbewegliches Vermögen bei dem Amtsgericht beantragt habe. Diese Mitteilung kann, da sie kraft Gesetzes einer im Verwaltungsvollstreckungsverfahren ergangenen Verfügung gleichsteht, gemäß § 16 Abs. 1 VVG im Verwaltungsrechtsweg mit dem Ziel angefochten werden, die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären. Ein solcher Rechtsbehelf würde allerdings nach § 16 Abs. 5 Satz 1 VVG in Verbindung mit § 187 Abs. 3 VwGO einer Fortsetzung der Vollstreckung nicht entgegenstehen. Um der Effektivität des Rechtsschutzes willen kann daher der Vollstreckungsschuldner die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung begehren, wobei der Antrag - den Erfordernissen des Vollstreckungsrechts entsprechend - dahingehend gerichtet ist, die Einstellung der Zwangsvollstreckung anzuordnen (§§ 16 Abs. 5 Satz 2 und 14 Abs. 1 Nr. 3 VVG).

Die Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen, wie sie im vorliegenden Fall betrieben wird, geschieht gemäß § 59 Abs. 1 VVG nach den Vorschriften für die gerichtliche Zwangsvollstreckung, also nach den Bestimmungen der §§ 864 ff. ZPO in Verbindung mit dem Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung vom 24.03.1897 - ZVG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.03.1976 (BGBl. I S. 737). Demzufolge obliegt die Durchführung der Zwangsversteigerung, wie sie hier von der Gläubigerin durch die Vollstreckungsbehörde unter dem 12.03.1984 beantragt worden ist, dem zuständigen Amtsgericht (§§ 1, 35 ZVG) als Vollstreckungsgericht. Dies erfordert allerdings, da es um die Vollstreckung öffentlich-rechtlicher Beiträge geht, eine genaue Abgrenzung der Zuständigkeiten der Verwaltungs- und Zivilgerichtsbarkeit (vgl. Altmeyer-Lahm, Verwaltungsvollstreckungsgesetz für Rheinland-Pfalz, Kommentar, § 59 VVG, Anm. III). Demzufolge muß nach dem aus § 59 Abs. 4 VVG sich ergebenden Grundsatz die Prüfung der Vollstreckungsvoraussetzungen im Verwaltungsrechtsweg geschehen. Um dies sicherzustellen, bedient sich der Gesetzgeber der Fiktion des § 59 Abs. 2 Satz 3 VVG.

Unter Berücksichtigung vorstehender Grundsätze bestehen nach der in diesem Eilverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung keine Bedenken dagegen, daß die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung im allgemeinen sowie die besonderen Voraussetzungen der Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen an sich erfüllt sind.

Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist insoweit begründet, als der Beschluß des Amtsgerichts vom 19.03.1984 - 6 K 20/84 - unzulässigerweise sämtlichen der Flurbereinigung N. unterliegenden Grundbesitz des Antragstellers erfaßt. Im Hinblick auf die besondere Bedeutung der Eigentumsgarantie im sozialen Rechtsstaat ist die darin enthaltene Anordnung der Zwangsversteigerung aller Grundstücke unverhältnismäßig. Sie darf also - soweit es um die Forderung der Teilnehmergemeinschaft geht - nur hinsichtlich des Weinberggrundstückes Gemarkung N. Flur 6, Nr. 19 stattfinden. Bezüglich der übrigen von dem vorerwähnten Beschluß des Amtsgerichts erfaßten Grundstücke war dagegen die Anordnung der Einstellung der Zwangsvollstreckung zu beschließen (§§ 80 Abs. 5 VwGO, 16 Abs. 5 Satz 2 VVG).

Wie das Bundesverfassungsgericht mehrfach entschieden hat (vgl. u. a. Beschlüsse vom 07.12.1977, BVerfGE 46, 325 (334) und vom 27.09.1978, BVerfGE 49, 220 (225)), ist gerade bei der Versteigerung von Grundstücken, bei denen der Staat im Interesse des Gläubigers schwerwiegende Eingriffe in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum des Schuldners vornimmt, auf die Notwendigkeit einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung und auf die besondere Bedeutung der Eigentumsgarantie im sozialen Rechtsstaat zu achten. Danach ist zwar ein solcher Eingriff grundsätzlich gerechtfertigt, wenn und soweit er dazu dient, begründete Geldforderungen des Gläubigers zu befriedigen. Zugleich sind aber auch die Belange des Schuldners zu wahren, für den zumindest die Möglichkeit erhalten bleiben muß, gegenüber einem unverhältnismäßigen Verlust seines Grundvermögens geschützt zu werden. Diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall übertragen bedeutet folgendes: Die Gläubigerin kann für ihre Forderung in Höhe von insgesamt DM 4957,13 - unter Hinzurechnung von Verzugszinsen bis 31.03.1985 - eine genügende Befriedigung durch Versteigerung eines Weinberggrundstückes erfahren. Dazu bedarf es angesichts des zu erwartenden Versteigerungserlöses aus der Verwertung dieses Grundstücks nicht auch der Versteigerung des übrigen Grundbesitzes, die der Rechtspfleger bei dem Amtsgericht nach dem von ihm erlassenen Beschluß durchzuführen hat. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners bestand auch keine zwingende Notwendigkeit, den Antrag auf Zwangsversteigerung vom 12.03.1984 deshalb auf sämtliche Grundstücke zu erstrecken, weil die geltend gemachte Forderung als öffentliche Last auf den im Flurbereinigungsgebiet liegenden Grundstücken ruht (§ 20 Satz 1 FlurbG). Die insoweit auf dem öffentlichen Recht beruhenden dinglichen Verwertungsrechte (vgl. hierzu Seehusen, FlurbG, § 20 Anm. 2) gewährleisten dem Gläubiger lediglich in der Zwangsversteigerung ein Recht auf bevorzugte Befriedigung (§ 10 Nr. 3 ZVG), sofern ein weiterer Gläubiger die Zwangsvollstreckung betreibt. Die dingliche Haftung der Grundstücke für die in Rede stehenden öffentlichen Lasten berechtigt aber keineswegs dazu, die Zwangsversteigerung in jedes einzelne Grundstück zu betreiben ohne Rücksicht auf die Höhe der insgesamt zu befriedigenden Forderung.