Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 18.05.1972 - X B 100/72 = NJW 1972 S. 1386
Aktenzeichen | X B 100/72 | Entscheidung | Beschluss | Datum | 18.05.1972 |
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Gericht | Oberverwaltungsgericht Münster | Veröffentlichungen | = NJW 1972 S. 1386 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs im Sinne von § 80 Abs. 5 VwGO macht die Zuziehung eines Rechtsanwaltes im Widerspruchsverfahren notwendig im Sinne von § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO. |
Aus den Gründen
Entgegen der Ansicht des VG handelt es sich vorliegend nicht um ein sog. isoliertes Vorverfahren, hinsichtlich dessen bisher für das Land NRW eine Regelung der Kostentragungspflicht nicht besteht. (Vgl. OVG Münster, Urt. vom 18.7.1967 - II A 1075/66, bestätigt durch BVerwG vom 20.12.1967 - VII B 113/67 - und BVerfGE 27, 175 = NJW 70, 133 = DVBl. 70, 268 = DÖV 70, 98 = JZ 70, 66; OVG Münster, Urt. vom 14.1.1971 - V A 318/70 sowie vom 19.10.1971 - VII A 30/70 -, DWW 72, 54).
Das von der Antragstellerin mit der Erhebung des Widerspruchs in Gang gesetzte Vorverfahren (§ 70 Abs. 1 VwGO) hat zu einem Aussetzungsverfahren und damit zu einem gerichtlichen Verfahren i.S. des Beschl. des Gr. Sen. des BVerwG in BVerwGE 22, 281 = NJW 66, 563 = DVBl. 66, 312 = MDR 66, 353 = BayVBl. 66, 421, Bespr. v. Menger-Erichsen, Verw. Arch. Bd. 57, 384 geführt. Das Aussetzungsverfahren ist ein selbständiges Verfahren, in dem nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 154 ff. VwGO über die Kosten zu entscheiden ist. (Redeker - von Oertzen, VwGO, 4. Aufl., § 80 Rdnrn. 44 und 54, Eyermann - Fröhler, VwGO, 5. Aufl., § 80 Rdnr. 50; Schunck - De Clerck, VwGO, 2. Aufl., § 80 Anm. 5 e, aa und jj.
In diesem Verfahren ist somit auch § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO anzuwenden, der die Erstattung der Kosten eines Bevollmächtigten im Vorverfahren regelt.
Hinzu kommt, daß der durch die sofortige Vollziehung Betroffene Widerspruch gegen den zu vollziehenden Verwaltungsakt erheben muß, um einen Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stellen zu können, und andererseits die Erhebung des Widerspruchs aber auch ausreicht, um das Aussetzungsverfahren in Gang zu setzen.
Die Zuziehung eines Rechtsanwalts im Widerspruchsverfahren durch die Antragstellerin war vorliegend auch "notwendig" im Sinne des § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Die Frage, ob eine solche Maßnahme im Einzelfalle zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ist, muß aus der Sicht der verständigen Partei und nicht nach den objektiven Maßstäben beurteilt werden, die einer rechts- und sachkundigen Person zu Gebote stehen. Daß die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im gerichtlichen Verfahren stets erstattungsfähig sind (§ 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO), im Vorverfahren jedoch nicht ohne weiteres als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig anerkannt werden, besagt nicht, daß die Erstattungsfähigkeit im Vorverfahren eine Ausnahme sein müsse. Die Beauftragung eines Rechtsanwalts ist das gute Recht eines jeden Bürgers; seine Erkenntnis und Urteilsfähigkeit, ob dies im jeweiligen Einzelfall notwendig ist, darf nicht überschätzt werden. Diese Überlegungen treffen auch auf die Antragstellerin zu. Sie durfte davon ausgehen, daß ihre Vertretung durch einen Rechtsanwalt im Widerspruchsverfahren notwendig war, um Erfolg zu haben, nachdem ihr der Antragsgegner trotz erteilter Baugenehmigungen die Ausführung ihrer Bauvorhaben durch seine Stillegungsverfügung verwehrt hatte.