Flurbereinigungsgericht Münster, Beschluss vom 22.11.1984 - 9 E 35/84 = AgrarR 1986 S. 183

Aktenzeichen 9 E 35/84 Entscheidung Beschluss Datum 22.11.1984
Gericht Flurbereinigungsgericht Münster Veröffentlichungen AgrarR 1986 S. 183  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Gegen den Bescheid der Spruchstelle im Verwaltungsverfahren, mit dem ein Antrag auf Ausschließung des Vorsitzenden der Spruchstelle von der weiteren Mitwirkung wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wird, ist die Beschwerde an das Flurbereinigungsgericht nicht statthaft.
2. Mängel des Verwaltungsverfahrens geben für sich allein regelmäßig keinen Anlaß, die behördliche Entscheidung aufzuheben (§ 44 a VwGO, § 46 VwVfG).

Aus den Gründen

Die Beschwerde ist nicht statthaft.

Bei der angefochtenen, das Ablehnungsgesuch der Antragsteller zurückweisenden Entscheidung der Antragsgegnerin handelt es sich um eine das Verwaltungsverfahren der Spruchstelle betreffende Entscheidung, durch die geregelt wird, ob der bisher tätig gewordene Vorsitzende an der Sachentscheidung über den Widerspruch der Antragsteller gegen den Flurbereinigungsplan mitwirken kann. Gegen die Entscheidung der Antragsgegnerin findet die Beschwerde an das Gericht, über die nach § 140 des Flurbereinigungsgesetzes, jetzt geltend in der Fassung der Bekanntmachung vom 16.03.1976, BGBl. I S. 546 - FlurbG -, das Flurbereinigungsgericht zu entscheiden hätte, nicht statt. Weder die Verwaltungsgerichtsordnung noch das Flurbereinigungsgesetz sehen eine derartige Beschwerdemöglichkeit vor. Die Verwaltungsgerichtsordnung kennt den Rechtsbehelf der Beschwerde an das Gericht nur als Mittel zur Anfechtung richterlicher Entscheidungen. Das Flurbereinigungsgesetz selbst enthält keine Regelung über die Rechtsbehelfe, mit denen das Gericht angerufen werden kann, und verweist insoweit auf die Vorschriften über die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, der gegenüber der ursprünglichen Fassung des Flurbereinigungsgesetzes vom 14.07.1953, BGBl. I S. 591 - FlurbG a. F. - unverändert geblieben ist). Der Senat vermag nicht die Ansicht der Antragsgegnerin zu teilen, die Möglichkeit, die beanstandete Entscheidung mit der Beschwerde an das Gericht anzufechten, sei durch § 7 Satz 1 des nordrhein-westfälischen Gesetzes zur Ausführung des Flurbereinigungsgesetzes des Bundes ... und zur Anpassung von Vorschriften des Landeskulturrechts und des Rechts der Wasser- und Bodenverbände an die Vorschriften des Flurbereinigungsrechts (Ausführungsgesetz zum Flurbereinigungsgesetz) - FlurbAG - vom 08.12.1953, GS NW S. 739/SGV NW 7815, mit späteren Änderungen, in Verbindung mit § 46 Abs. 2 ZPO begründet worden.

Die Einrichtung der Spruchstelle, soweit ihr Zuständigkeiten für das Flurbereinigungsrecht zugewiesen wurden (§ 3 FlurbAG), beruht auf § 141 Abs. 4 FlurbG a. F. (jetzt § 141 Abs. 2 Satz 1 FlurbG), wonach die Länder bestimmen können, daß zu den Entscheidungen der oberen Flurbereinigungsbehörde über Beschwerden gegen die Ergebnisse der Schätzung oder den Flurbereinigungsplan zwei ehrenamtliche Landwirte zuzuziehen sind. § 141 FlurbG a. F. regelte, daß bei der Anfechtung eines Verwaltungsakts der Flurbereinigungsbehörde als Prozeßvoraussetzung der flurbereinigungsgerichtlichen Klage die Durchführung eines Beschwerdeverfahrens bei der oberen Flurbereinigungsbehörde notwendig sei. Mit dieser Vorschrift hat der Bundesgesetzgeber Gebrauch gemacht von seiner konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit aus Art. 74 Nr. 1 des Grundgesetzes (GG), nämlich auf dem Sachgebiet "das gerichtliche Verfahren", das, soweit es um das verwaltungsgerichtliche Verfahren geht, auch die Regelung des Vorverfahrens als Prozeßvoraussetzung umfaßt (vgl. BVerfG, Beschluß vom 09.05.1973, BVerfGE 35, 65 ff., 72). Die Regelung des § 141 FlurbG a. F. über das Vorverfahren als Prozeßvoraussetzung war erschöpfend, wie insbesondere auch daraus hervorgeht, daß nach Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 die nunmehr eingeführte Beschwerde ausdrücklich an die Stelle eines nach Landesrecht zulässigen Einspruchs trat. Nach Art. 72 Abs. 1 GG konnten daher die Landesgesetzgeber für diesen Regelungsbereich keine Vorschriften mehr erlassen, es sei denn, es wurde zu ihren Gunsten ein ausdrücklicher Vorbehalt eingeräumt (vgl. BVerfG, Beschluß vom 30.05.1972, BVerfGE 33, 224 ff., 229). Einen solchen Vorbehalt enthält § 141 Abs. 4 FlurbG a. F. Nach dieser Vorschrift waren die Länder jedoch lediglich ermächtigt, in bestimmten Fällen die im Vorverfahren als Prozeßvoraussetzung zu fällende Entscheidung durch ein kollegiales Gremium bestimmter Zusammensetzung (Spruchstelle, Spruchausschuß) treffen zu lassen und dessen Organisation sowie das für dieses Gremium geltende Verwaltungsverfahren zu regeln. Zu einer Regelung des gerichtlichen Verfahrens, wie sie bei einer Begründung der erörterten Beschwerdemöglichkeit gegeben wäre, waren die Länder jedoch durch § 141 Abs. 4 FlurbG a. F. nicht ermächtigt.

Der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber war auch nicht unabhängig von § 141 Abs. 4 FlurbG a. F. befugt, gegen eine Entscheidung der Spruchstelle die Beschwerde an das Gericht einzuräumen. Eine solche Beschwerdemöglichkeit hätte dem Rechtsschutzsystem der Militärregierungs-Verordnung Nr. 165 widersprochen. Diese galt auch nach Inkrafttreten des Grundgesetzes als Besatzungsrecht (vgl. BVerfG, Urteil vom 05.04.1952, BVerfGE 1, 208 ff., 234). Da das Besatzungsstatut vom 12.05.1949 (Amtsblatt der Alliierten Hohen Kommission, S. 13, 792) noch bis zum 05.05.1955 bestand (Amtsblatt der Alliierten Hohen Kommission, S. 3272), band sie damals noch den Landesgesetzgeber vorbehaltlich einer - hier nicht vorliegenden - besatzungsbehördlichen Änderung der Militärregierungs-Verordnung Nr. 165 oder einer besatzungsbehördlichen Ermächtigung zu deren Änderung gemäß Nr. 7 b des Besatzungsstatuts (vgl. Ule, Für eine einheitliche Verwaltungsgerichtsordnung, Deutsches Verwaltungsblatt/DVBl. 1950, 1 ff., 4).

Selbst wenn der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber seinerzeit durch eine Verweisung des § 7 Satz 1 FlurbAG auf die Vorschriften der Zivilprozeßordnung die erörterte Beschwerdemöglichkeit hätte begründen wollen, wäre die Beschwerde der Antragsteller nicht statthaft. § 7 Satz 1 FlurbAG wäre insoweit als eine das gerichtliche Verfahren betreffende Regelung nachträglich durch § 44 a VwGO aufgehoben worden (Art. 31 GG), der durch § 97 Nr. 2 des (Bundes-) Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 25.05.1976, BGBl. I S. 1253, in die Verwaltungsgerichtsordnung eingefügt worden ist. Nach § 44 a VwGO können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Diese Vorschrift dient der Verfahrenskonzentration. Es soll verhindert werden, daß bei der Behörde anhängige Verwaltungsverfahren verzögert und die Gerichte mit Streitfällen, die sich auf den Ablauf der Verwaltungsverfahren beziehen, befaßt werden, obwohl durchaus möglich ist, daß das Verwaltungsverfahren im Ergebnis zu einer Beschwer oder zu einer rechtswidrigen Beeinträchtigung von Rechten des Betroffenen nicht führt. Die Vorschrift gilt auch für Verfahrenshandlungen im Widerspruchsverfahren (vgl. Kopp, VwGO, 6. Aufl., Rdnr. 3 zu § 44 a; Redeker/von Oertzen, VwGO, 7. Aufl., Anm. 6 zu § 44 a) und betrifft insbesondere auch Entscheidungen, die im Verwaltungsverfahren wegen Besorgnis der Befangenheit ergehen (vgl. Kopp, a.a.O., Rdnr. 5 zu § 44 a; Redeker/von Oertzen, a.a.O., Anm. 3 zu § 44 a). Sie hat nicht nur die Unzulässigkeit einer Klage zur Folge, die isoliert gegen eine im Widerspruchsverfahren wegen Besorgnis der Befangenheit ergangene Entscheidung der Spruchstelle gerichtet ist, sondern würde ihrer Zielsetzung nach auch die Möglichkeit, eine negative Entscheidung der Spruchstelle über ein Ablehnungsgesuch mit der Beschwerde an das Gericht anzufechten, aufgehoben haben, zumal da wegen der Verweisung des Flurbereinigungsgesetzes in § 138 Abs. 1 Satz 2 auf die Vorschriften über die Verwaltungsgerichtsbarkeit § 44 a VwGO allgemein auch für den Bereich des Flurbereinigungsrechts Geltung hat. Die im § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG vorbehaltenen besonderen Vorschriften der § 139 bis § 148 FlurbG enthalten keine Regelungen, die dieser Wirkung des § 44 a VwGO entgegenstehen würden.

Angesichts des Inhalts der Vorschrift des § 44 a VwGO sieht der Senat keine Veranlassung, die anhängige Beschwerde in eine Klage gegen die beanstandete Entscheidung der Antragsgegnerin umzudeuten oder die Erhebung einer Klage anstelle der Beschwerde anzuregen.

Vorsorglich sei angemerkt: Sollte das Widerspruchsverfahren zu der begehrten Abhilfe nicht führen und deswegen Klage erhoben werden, könnte das Gericht auch in dem Klageverfahren gehindert sein, dem im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Gesichtspunkt der Befangenheit des Vorsitzenden der Antragsgegnerin nachzugehen, obwohl § 44 a VwGO den Kläger mit der Beanstandung von Verfahrenshandlungen ausdrücklich auf das gegen die Sachentscheidung gerichtete Verfahren verweist. Die Hinderung könnte gegeben sein aufgrund des § 144 FlurbG. Diese Vorschrift ermächtigt das Flurbereinigungsgericht aus Gründen der Verfahrenskonzentration, einen nach dem Flurbereinigungsgesetz erlassenen Verwaltungsakt bei Begründetheit der Klage inhaltlich zu ändern und demgemäß in einem Abfindungsrechtsstreit bei Mängeln der Abfindung die Wertgleichheit durch gerichtliche Festsetzungen herzustellen. Es soll den Rechtsstreit, wenn eben möglich, zu einem sachlichen Abschluß führen, ohne daß die Behörde erneut mit der Sache befaßt wird. Mängel des Verwaltungsverfahrens geben für sich allein regelmäßig keinen Anlaß, die behördliche Entscheidung aufzuheben (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.07.1962, Recht der Landwirtschaft/RdL 1962, 328). Die Sonderregelung des § 144 FlurbG wird in ihrer Geltung durch die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung nicht berührt (vgl. deren § 190 Abs. 1 Nr. 4).