Flurbereinigungsgericht Kassel, Beschluss vom 28.10.1974 - III F 59/73 = AgrarR 1975 S. 112
Aktenzeichen | III F 59/73 | Entscheidung | Beschluss | Datum | 28.10.1974 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Kassel | Veröffentlichungen | = AgrarR 1975 S. 112 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Zur Frage des Umfangs der Akteneinsicht in Flurbereinigungsverfahren. |
Aus den Gründen
Dem Kläger war in die gesamten Akten des Flurbereinigungsverfahrens Einsicht zu gewähren, und zwar lediglich mit Ausnahme der Verschluß- und Geheimsachen, ferner ggf. genau der Fundstelle nach zu bezeichnender Aktenteile betreffend höchstpersönliche Rechtsbeziehungen einzelner Teilnehmer ohne Bedeutung für die Abfindung anderer Beteiligter (etwa Vorgänge mit Angaben über Gesundheitszustand, familiäre Verhältnisse, Schuldenstände, beabsichtigte Rechtsgeschäfte privater Natur) weiterhin mit Ausnahme von Entwürfen zu Verfügungen und sonstigen Unterlagen sowie schließlich mit Ausnahme von Beratungsprotokollen und behördeninternen Gutachten.
Für das Verwaltungsverfahren muß - soweit nicht eine gesetzliche Vorschrift im Einzelfall den Anspruch auf Akteneinsicht normiert - davon ausgegangen werden, daß ein Recht auf Akteneinsicht nicht besteht (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 23.7.1964 - CS V 355/62 - JZ 1965, 319 = HessVG Rspr 1965, 91 mit dort. zit. Rechtsprechung und Literatur, ferner Wolf, Verwaltungsrecht III, 3. Aufl. 1973, S. 287 ff. und dort zit. Lit. u. Rspr.; a. A. z. B. wohl Dagtoglou in JZ 1965, 319). Vielmehr unterliegt es dem pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, ob sie im Einzelfall Akteneinsicht gewährt oder nicht. Dabei ist Voraussetzung für eine dem Bürger günstige Entscheidung, daß er ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsichtnahme hat, und daß die Behörde diesem Interesse des Bürgers bei der Abwägung gegen das öffentliche Interesse an einer Geheimhaltung des betreffenden Akteninhalts den Vorrang einräumt (vgl. Hess. VGH a.a.O.).
Der Kläger braucht sich dabei nicht auf die Unterlagen zu beschränken, die seinen eigenen Besitzstand und den Besitzstand derer betreffen, durch deren Umgestaltung der klägerische Altbesitz unmittelbar berührt ist. Es muß ihm auch die Möglichkeit der Überprüfung hinsichtlich der Einhaltung des nach Art. 3 GG bestehenden Gleichbehandlungsgrundsatzes gegeben sein. Dabei kann der Kläger wegen der Einsichtnahme in die Unterlagen über Altbesitz und Abfindung anderer Teilnehmer in den eingangs genannten Schranken nicht auf den Zeitpunkt der Vorlage des Flurbereinigungsplanes verwiesen werden, denn in der Regel bilden der Vorlage- und der Anhörungstermin eine Einheit, so daß dem Kläger bei der Vorlage nicht mehr die erforderliche Zeit zur Verfügung stünde, eingehende sachgerechte Prüfung der von ihm ins Auge gefaßten Umstände vorzunehmen.
Einem derart insgesamt anzunehmenden berechtigten Interesse des Klägers steht in bezug auf die erwähnten Geheim- und Verschlußsachen, ferner hinsichtlich ausgesprochener Interna wie Beratungsprotokolle, Bearbeitungsvermerke und behördeninterne Gutachten, schließlich in bezug auf die erwähnten Unterlagen, die höchstpersönlichen Rechtsbeziehungen und Lebensverhältnisse einzelner Teilnehmer ohne Bedeutung für die Abfindung anderer Teilnehmer aussprechen, ein vorrangiges öffentliches Interesse gegenüber. Hinsichtlich der Geheim- und Verschlußsachen ergibt sich dies schon aus der Natur der Sache. Hinsichtlich der weiteren Unterlagen, die Behördeninterna darstellen, folgt dieses daraus, daß die Mitglieder einer Behörde die Möglichkeit haben müssen, sich schriftlich untereinander rückhaltlos auszusprechen, ohne Gefahr zu laufen, daß derartige Meinungsäußerungen zum Anlaß von Beschwerden gegen sie genommen würden (vgl. Hess. VGH a.a.O. und Wiethaup in MDR 1958, 474, vgl. auch Wolff a.a.O.). Die letztgenannten Unterlagen mit Angaben über höchstpersönliche Rechtsbeziehungen und Lebensverhältnisse Beteiligter ohne Bedeutung für die Abfindung anderer, stehen unter der Schutzwirkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Art. 2 Abs. 1 GG und sind schon wegen des öffentlichen Interesses an der Wahrung der Grundrechte dem Kläger vorzuenthalten.