Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.12.1961 - I B 148.61 = RdL 1962 S. 190
Aktenzeichen | I B 148.61 | Entscheidung | Beschluss | Datum | 20.12.1961 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = RdL 1962 S. 190 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Voraussetzungen für die nachträgliche Geltendmachung von Eigentumsrechten im Rahmen der Umlegung. |
Aus den Gründen
Bei der Entscheidung der aufgeworfenen Streitfrage ist von § 10 Nr. 1 RUO auszugehen. Hiernach sind am Umlegungsverfahren kraft Gesetzes die Eigentümer der zum Umlegungsgebiet gehörenden Grundstücke beteiligt (Teilnehmer). Sie sind nach § 11 RUO von der Umlegungsbehörde (deklaratorisch) festzustellen. Das hierbei anzuwendende Verfahren und der Umfang der behördlichen Aufklärungspflicht ergeben sich aus den §§ 12 ff. RUO.
Zunächst sind für die Feststellung der Beteiligten die Eintragungen im Grundbuch "maßgebend" (§ 12 Satz 1 RUO). Die Behörde muß entsprechend der Vermutung des § 891 BGB davon ausgehen, daß der im Grundbuch eingetragene Eigentümer auch der wahre Berechtigte ist. Diesem kommt die durch die Anordnung des Verfahrens gesetzlich begründete Stellung eines Teilnehmers zu.
Entspricht die Eintragung im Grundbuch nicht der wahren Rechtslage, ist also der im Grundbuch Eingetragene nicht mit dem nach § 10 RUO gesetzlich Beteiligten identisch, so kann die Behörde den E i g e n b e s i t z e r wie einen im Grundbuch eingetragenen Eigentümer behandeln, wenn dieser durch öffentliche Urkunden oder eine Bescheinigung des Bürgermeisters seinen Eigenbesitz glaubhaft macht und kein Dritter das Eigentum für sich in Anspruch nimmt (§ 12 Satz 2 RUO). Unter diesen Voraussetzungen kann die Umlegungsbehörde das Eigentum an dem maßgeblichen Grundstück als "nachgewiesen" ansehen mit der Folge, daß der Eigenbesitzer als Beteiligter des Verfahrens im Sinne des § 10 Nr. 1 RUO gilt. Die Rechtslage ist entsprechend, wenn das Eigentum aus den öffentlichen Büchern nicht ersichtlich ist. Da in diesem Fall die Eigentumsvermutung nach § 12 Satz 1 RUO mit § 891 BGB ausfällt, muß der das Eigentum für sich Beanspruchende ebenfalls nach Maßgabe des § 12 Satz 2 RUO seinen Eigenbesitz glaubhaft machen. Erst wenn das geschehen ist, kann die Behörde das Eigentum als nachgewiesen ansehen und den im Grundbuch nicht eingetragenen Eigenbesitzer als Teilnehmer behandeln.
Um die nach § 10 RUO gesetzlich beteiligten Eigentümer solcher Grundstücke zu ermitteln, die aus den öffentlichen Büchern nicht ersichtlich sind, kann die Behörde durch öffentliche Bekanntmachung zur Anmeldung dieser Rechte auffordern (§ 15 RUO). Wer sein Recht anmeldet und nach Maßgabe des § 12 Satz 2 RUO glaubhaft macht, hat im weiteren Verfahren die formale Rechtsstellung eines Teilnehmers. Erfolgen die Anmeldung und Glaubhaftmachung erst nach Ablauf der in § 15 RUO festgesetzten Frist von drei Monaten, so gilt der Anmeldende zwar als Beteiligter, die Umlegungsbehörde kann aber nach § 16 RUO die bisherigen Verhandlungen und Festsetzungen - nach dem gleichen Grundsatz, wie er in § 13 RUO für den Erwerber eines Grundstücks aufgestellt ist - "gelten lassen". Die Entscheidung steht im Ermessen der Behörde.
Hieraus ergibt sich, daß die vom Kl. aufgeworfene Rechtsfrage nicht auftreten kann. Die Behörde ist nicht von Amts wegen verpflichtet, von sich aus festzustellen, wer der wahre Eigentümer ist. Die Umlegungsbehörde hat die Beteiligten - nicht die Eigentumsverhältnisse - zu ermitteln. Soweit sich diese aus dem Grundbuch nicht ergeben, hat die Behörde lediglich die Pflicht, nach § 113 Abs. 1 Buchst. d. RUO einen Vertreter zu bestellen, bis der Teilnehmer den vom Gesetz geforderten Nachweis erbracht hat. Nach § 12 Satz 2 RUO war es somit Sache des Kl., die Voraussetzungen für sein Teilnehmerverhältnis hinsichtlich der streitigen Grundstücke darzutun. Ob die Umlegungsbehörde davon Kenntnis gehabt hat, daß die Fläche vor über 50 Jahren in ein Umlegungsverfahren einbezogen worden sind - was von der Beklagten bestritten wird -, ist schon deshalb ohne Belang, weil in der Zwischenzeit Eigentumsänderungen eingetreten sein können. Maßgeblich sind aber die rechtlichen Verhältnisse bei Einleitung des Verfahrens. Es kann von einem Teilnehmer eines Umlegungsverfahrens erwartet werden, daß er seinen Besitz und sein Eigentum kennt und seine Rechte wahrnimmt. Es kommt nicht darauf an, ob der Kl. von den Vorgängen zu Beginn des Jahrhunderts Kenntnis gehabt, sondern allein darauf, welchen Besitz er in das Umlegungsverfahren eingebracht hat.
Hinsichtlich des Grundstücks 523/192 steht fest, daß es für einen anderen Beteiligten im Grundbuch eingetragen war. Der Kl. hat nicht durch die in § 12 Satz 2 RUO geforderten Urkunden nachgewiesen, daß er Eigenbesitzer dieser Parzelle ist. Die Fläche 521/184 ist nach den Verfahrensunterlagen nicht im Grundbuch eingetragen gewesen. Nur für dieses Grundstück greift § 15 RUO ein. Da der Kl. in beiden Fällen die nach § 12 Satz 2 RUO erforderlichen Voraussetzungen nicht glaubhaft gemacht hat, ist für eine nachträgliche Berücksichtigung des von ihm behaupteten Eigentums kein Raum. Hinsichtlich der Fläche 521/184 kommt eine Entscheidung nach § 16 RUO nicht in Betracht. Der Kl. erleidet insoweit auch keinen Verlust. Selbst wenn die Behörde eine Feststellung nach § 12 Satz 2 RUO getroffen hätte, würde das keinen Einfluß auf die materielle Rechtslage haben. Beteiligter nach § 10 RUO ist und bleibt der wahre Eigentümer. Die Umlegungsbehörde kann das gesetzliche Beteiligungsverzeichnis nicht ändern. Sie ist auch nicht befugt, einen nach § 12 Satz 2 RUO festgestellten Teilnehmer auf dem Wege über den Umlegungsplan als Eigentümer in das Grundbuch eintragen zu lassen (vgl. hierzu jetzt § 58 Abs. 1 Satz 3 FlurbG und zur RUO: RdErl. vom 19.4.1939 - LwRMBl. S. 544 -). Will der im Grundbuch nicht eingetragene Eigentümer dieser Konsequenz ausweichen, so muß er eine Berichtigung des Grundbuches (§ 82 GBO) veranlassen. Es muß also dem Kl. überlassen bleiben, außerhalb des Umlegungsverfahrens sein Eigentum an den streitigen Grundstücken nachzuweisen. Gelingt ihm der Nachweis, so kann eine nachträgliche Änderung des Umlegungsplanes nach § 73 RUO in Betracht kommen.