RzF - 31 - zu § 64 LwAnpG

Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.09.2000 - V ZR 421/99 = WF 2001, 23

Aktenzeichen V ZR 421/99 Entscheidung Urteil Datum 29.09.2000
Gericht Bundesgerichtshof Veröffentlichungen WF 2001, 23  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Für die Bestimmung der Restnutzungsdauer von Gebäuden kommt es allein auf deren Zustand im Zeitpunkt der formlos möglichen Geltendmachung von Bereinigungsansprüchen an. Nachträglich vorgenommene Investitionen bleiben unberücksichtigt, mögen diese auch schon vorher geplant und die entsprechenden Fördermittel dafür schon vor diesem Zeitpunkt bewilligt worden sein.

Aus den Gründen

Die Klägerin ... sei jedoch nicht ankaufsberechtigt, der Beklagte könne den Abschluss eines entsprechenden Kaufvertrages verweigern (§ 31 Abs. 1 SachenRBerG), weil die Restnutzungsdauer der Gebäude weniger als 25 Jahre betrage. Maßgeblich für die Beurteilung der Restnutzungsdauer sei der Zeitpunkt des Ankaufsverlangens am 6. Juli 1995. Die danach durchgeführten Sanierungsmaßnahmen müssten außer Betracht bleiben, auch wenn sie schon vorher geplant und die entsprechenden Fördermittel teilweise schon bewilligt gewesen seien. Ohne Berücksichtigung der am maßgeblichen Stichtag noch nicht durchgeführten Investitionen habe die Restnutzungsdauer der Restanlage weniger als 25 Jahre betragen.

Das Berufungsgericht geht mit Recht davon aus, dass ein Ankaufsrecht der Klägerin (§ 61 Abs. 1 SachenRBerG) an der vom Beklagten erhobenen Einrede nach § 31 Abs. 1 SachenRBerG scheitert.

Ohne Erfolg will die Revision für die Stichtagsermittlung in erster Linie auf ein notariell beurkundetes Angebot abstellen, das weder behauptet noch festgestellt sei. Sie bezieht sich dabei auf Literaturstimmen, die für den Zeitpunkt der Bodenwertermittlung und das hierfür maßgebliche "Angebot zum Vertragsabschluss" (§ 19 Abs. 1 SachenRBerG) ein notariell beurkundetes Angebot fordern (vgl. z.B. Zimmermann in Czub/Schmidt-Räntsch/Frenz, Sachenrechtsbereinigungsgesetz, § 19 RdNr. 13 m.w.N.). Für § 31 Abs. 1 SachenRBerG ist dies jedoch der falsche Ansatz, weil diese Vorschrift ihrem Wortlaut nach allein auf den Zeitpunkt abstellt, "in dem der Nutzer Ansprüche ... geltend macht".

Die Investitionen der Klägerin zur umfassenden Gebäudemodernisierung bleiben unberücksichtigt, die sie nach dem 6. Juli 1995 vorgenommen hat, mögen diese auch schon vorher geplant und die entsprechenden Fördermittel dafür schon vor diesem Zeitpunkt teilweise bewilligt worden sein. Der gesetzliche Wortlaut ist insoweit eindeutig. Dementsprechend wird der Zeitpunkt der Anspruchstellung in der Literatur für allein maßgeblich gehalten (vgl. Erman/F. Ebbing, BGB, 10. Auflage, § 31 SachenRBerG RdNr. 5; Knauber, RVI, B 410 SachenRBerG § 31 RdNr. 10; Rothe in Eickmann, § 31 SachenRBerG, RdNr. 12; nicht ausdrücklich angesprochen, aber ohne Weiteres davon ausgehend: Soergel/Hartmann, 12. Auflage Anhang zu § 233 EGBGB, § 31 SachenRBerG RdNr. 1; MünchKomm-BGB/Wendtland, 3. Auflage § 31 SachenRBerG RdNr. 1).

Eine davon abweichende Auslegung ist nicht geboten. Der Sinn der Einredemöglichkeit nach § 31 Abs. 1 SachenRBerG besteht darin, den Bereinigungsanspruch auf diejenigen Anspruchssteller zu beschränken, deren Gebäude mit längerer Restnutzungsdauer eine dingliche Absicherung rechtfertigen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Nutzer die Möglichkeit erhalten sollte, sich durch erst nach Anspruchstellung vorgenommene Investitionen in die Vorteile der Sachenrechtsbereinigung (vgl. z.B. das Halbwertprinzip § 43 Abs. 1 und § 68 Abs. 1 SachenRBerG) quasi "einzukaufen".

Eine Gesetzeslücke besteht nicht. Der Gesetzgeber hat nicht übersehen, dass in den neuen Bundesländern gerade landwirtschaftlich und gewerblich genutzte Gebäude an einem Reparaturstau litten und die Betriebe nicht rechtzeitig in der Lage sein würden, bis zu dem nach § 31 Abs. 1 SachenRBerG maßgeblichen Zeitpunkt bauliche Investitionen durchzuführen. Bei Erlass des SachenRBerG im September 1994 war diese Ausgangslage hinreichend bekannt.

§ 31 SachenRBerG zielt auf einen Interessenausgleich. Für die Vorteile der Sachenrechtsbereinigung (auf Kosten der Grundeigentümer) wird an den bei Anspruchstellung vorhandenen Gebäudezustand angeknüpft, der allein eine dingliche Absicherung sinnvoll erscheinen lässt. Unterhalb einer Restnutzungsdauer von 25 Jahren bleibt der Gebäudenutzer nicht schutzlos, sondern hat grundsätzlich Anspruch auf Abschluss eines Mietvertrages mit einer der Nutzungsdauer angepassten Laufzeit (§ 31 Abs. 2 SachenRBerG). Die nach Anspruchstellung getätigten Investitionen werden nicht bedeutungslos, sondern spielen nach Beendigung des Mietverhältnisses noch eine Rolle, soweit sie den Ankaufswert erhöht haben oder den nichtankaufsbereiten Grundeigentümer zum Angebot einer Vertragsverlängerung für die "restliche Standdauer des Gebäudes" zwingen (§ 31 Abs. 5 SachenRBerG).

Vor dem Hintergrund dieser Interessenabwägung ist nicht ohne Bedeutung, dass die durch das Moratorium (Art. 233 § 2a EGBGB) geschützten Nutzer ohnehin einen Zeitraum von rund vier Jahren ab Wiedervereinigung bis zum In-Kraft-Treten des SachenRBerG für Investitionen zur Verfügung hatten und ihnen danach über die Bestimmung des Zeitpunkts der Anspruchstellung jedenfalls noch ein gewisser Spielraum verblieb. Der Senat muss deshalb im vorliegenden Zusammenhang nicht entscheiden, ob und wie die Grundstückseigentümer dieser Tatsache Rechnung tragen können, etwa indem sie schon vor Anspruchstellung die Einrede erheben (vgl. Rothe a.a.O., § 31 SachenRBerG RdNr. 12; Wilhelm a.a.O., § 31 SachenRBerG RdNr. 10a) oder analog § 16 Abs. 2 SachenRBerG den Eigentümer unter gleichzeitiger Erhebung der Einrede zu einer Erklärung zwingen (vgl. Knauber a.a.O., § 31 SachenRBerG RdNr. 9).

Zutreffend ist auch die Überlegung des Berufungsgerichts, dass der Nutzer vor entsprechenden Planungen und Investitionen sich über die Restnutzungsdauer der Gebäude informieren und durch möglichst frühzeitige Geltendmachung eines Bereinigungsanspruchs (die in Grenzfällen der maßgeblichen Restnutzungsdauer ohnehin in seinem Interesse liegt) feststellen kann, ob der Grundstückseigentümer die Einrede nach § 31 Abs. 1 SachenRBerG erhebt. Die Klägerin hat hier investiert in Kenntnis der Tatsache, dass der Grundstückseigentümer das Ankaufsrecht bestreitet, und damit bewusst das Risiko übernommen, die Grundstücke nicht erwerben zu können.

Soweit die Revision geltend macht, Art. 233 § 2b EGBGB spreche für eine verstärkte Berücksichtigung der unternehmerischen Belange des Nutzers und der durch diese Vorschrift geschaffene "Investitionsschutz" kollidiere mit der Sachenrechtsbereinigung, ist dies nicht nachvollziehbar. Das durch Bauten einer LPG in Ausübung ihres früheren Nutzungsrechts entstandene selbständige Gebäudeeigentum (vgl. § 27 LPGG 1982) ist unbestreitbar. Es gewährt aber keinen "Investitionsschutz" und "zwingt" die Nachfolgeunternehmen auch nicht zu Investitionen. Das Gebäudeeigentum kollidiert auch nicht mit Sinn und Zweck der Sachenrechtsbereinigung. Gerade mit § 31 Abs. 1 SachenRBerG wurde klargestellt, dass auch bei Vorliegen der grundsätzlichen Voraussetzungen (§§ 1, 2 SachenRBerG) ein davon ausgenommener Bereich verbleibt, in dem zwar selbständiges Gebäudeeigentum besteht, gleichwohl aber ein Bereinigungsanspruch an zu geringer Restnutzungsdauer scheitert.

Das Berufungsgericht hat ausgehend von § 16 Abs. 4 WertV - von der Revision unangegriffen - festgestellt (§ 561 Abs. 2 ZPO), dass ohne Berücksichtigung der nachträglichen Investitionen die Restnutzungsdauer des Rinderstalles mit Melkhaus, des Bergeraums mit Rübenbunker und Verbindungsbau sowie des Durchfahrtssilos jeweils nur 15 Jahre und die eines weiteren Bergeraumes 25 Jahre beträgt. Es hat daraus in betriebswirtschaftlicher Gesamtwürdigung die Restnutzungsdauer der Gesamtanlage auf weniger als 25 Jahre bestimmt.